Fünfundzwanzigstes Wort | Fünfundzwanzigstes Wort | 30
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Dritter Strahl: Im Zweiten Strahl haben wir darauf hingewiesen, dass die Weisheit der Menschen gegenüber der Weisheit des Qur'an unterlegen ist, und dass die Weisheit, die der Qur'an lehrt, ein Wunder ist. In diesem Strahl wollen wir nun den Umfang der Weisheit der Gottesgelehrten (asfiya) und der Gottesfreunde (auliya), die die Schüler des Qur'an sind, und den Umfang der Weisheit der gnostischen Philosophen (ischrakiyun), die die Erleuchteten unter den Philosophen waren, und den Umfang der Weisheit des Qur'an aufzeigen und unter diesem Gesichtspunkt kurz auf das Wunder des Qur'an verweisen.
So ist denn der zuverlässigste Beweis der Erhabenheit des weisen Qur'an, das allerklarste Zeugnis seiner Wahrhaftigkeit und das mächtigste Zeichen dieses Wunders folgendes: Der Qur'an stellt alle Stufen sämtlicher Bereiche der Einheit (Tauhid) dar, während er sie zugleich auch mit allem umfasst, was aus ihr erwächst. Er stört nicht ihre Harmonie, er erhält sie. Des Weiteren ist im Qur'an die Ausgewogenheit aller erhabenen Wahrheiten über Gott bewahrt geblieben. Des Weiteren umfasst er alle Ergebnisse, die die Gottesnamen in sich enthalten und hält die Ausgewogenheit all dieser Ergebnisse aufrecht. Des Weiteren umfasst er die Auswirkungen der Herrschaft Gottes und Seiner Erhabenheit in vollendeter Harmonie. So ist denn eine besondere Eigenart, dass er diese Ausgewogenheit und Harmonie aufrecht erhält und in sich umfasst. Sie findet sich überhaupt nicht in den Werken der Menschen und ist nicht in den Ergebnissen der Meinungen der Großen unter den Menschen anzutreffen. Dergleichen findet sie sich weder in den Werken der Gottesfreunde, die in der Engelwelt wandern, noch in den Büchern der gnostischen Philosophen, die in das Innere der Dinge hineingehen, noch in den Erkenntnissen der Geistlichen, die in die unsichtbare Welt eindringen. Als hätten sie sich die Arbeit (am Baum der Wahrheit) untereinander aufgeteilt, klammert sich jede Gruppe nur an ein, zwei Ästen am großen Baum der Wahrheit fest. Die eine widmet sich allein seinen Früchten und Blättern. Von einem anderen (Zweig oder Ast) hat sie entweder keine Ahnung, oder sie kümmert sich nicht darum. In der Tat können ihre beschränkten Blicke die absolute Wahrheit nicht umfassend erkennen. Ein ganzheitlicher Blick wie der des Qur'an ist notwendig, um sie zu erfassen. Auch diejenigen, die vom Qur'an unterrichtet worden sind, können infolge ihrer persönlichen Auffassung nur ein, zwei Seiten der einen und ganzen Wahrheit vollständig betrachten. Sie beschäftigen sich allein mit ihr, schließen sich in ihr ein. Sie zerstören die Wahrheit in ihrer Ausgewogenheit durch Hinzufügungen oder Weglassungen und beseitigen so ihre Harmonie. Diese Tatsache wurde schon im Zweiten Ast vom »Vierundzwanzigsten Wort« durch ein einzigartiges Gleichnis erläutert. Hier wollen wir aber mit einem anderen Gleichnis zu diesem Thema einen Hinweis geben. Zum Beispiel:
Nehmen wir einmal an, dass sich irgendwo in einem Meer eine Schatzkiste befände, die mit allen Arten zahlloser Edelsteine gefüllt sei. Nun tauchen also Schatzsucher hinab, um diese Schatzkiste zu suchen. Mit geschlossenen Augen versuchen sie ihn durch Fühlen und Ertasten mit ihren Händen zu erkennen. Einem Teil von ihnen gelingt es einen länglichen Edelstein zu ergreifen. Diese Taucher meinen nun, der ganze Schatz bestünde aus Edelsteinen in der Form langgestreckter Säulen. Wenn einer unter ihnen durch seine Kameraden von anderen Mineralien hört, stellt er sich vor, dass diese Mineralien zu dem Edelstein, den er selbst gefunden hat, dazugehören, ihn noch weiter ausschmücken und ergänzen. Einem anderen Teil von ihnen gelingt es, einen kugelförmigen Rubin zu ergreifen. Wieder ein anderer findet einen würfelförmigen Bernstein. Und so weiter... Jeder glaubt, dass der Edelstein, den er mit der Hand ergriffen hat und den er nun kennt, den größten Teil des eigentlichen Schatzes bildet. Er hält das, was er hört, für nebensächliche Dinge, für eine Art Zubehör seines Schatzes. Damit geht das Gleichgewicht der Wahrheit verloren. Die Proportionalität verschwindet. Viele Wahrheiten bekommen eine andere Farbe. Um die wahre Farbe der Wahrheit erkennen zu können, gerät man in den Zwang zu freien Auslegungen und zu Improvisationen. Ja manchmal gehen sie sogar soweit, etwas völlig zu verleugnen oder zu verschweigen. Diejenigen, welche die Bücher der gnostischen Philosophen und die Bücher der Mystiker durchdenken, die mit ihrer geistigen Schau und ihren Entdeckungen vertraut sind, ohne sie mit der Waage der Tradition des Propheten (Mohammed) zu wiegen, bestätigen unsere Feststellung ohne Zweifel. Das also heißt, dass sie, obzwar sie von der Wahrheiten des Qur'an und von der Lehre des Qur'an herrühren, sie dennoch mangelhaft bleiben, weil sie eben nicht der Qur'an selbst sind. Auch die Verse des Qur'an, ein Ozean der Wahrheit, sind Taucher zu diesem Schatz im Meer. Doch ihre Augen sind geöffnet und erblicken den ganzen Schatz. Sie erkennen, was zum Schatz dazu gehört und was nicht. Sie beschreiben und erklären diesen Schatz in allen seinen Maßen und Proportionen auf das Beste und bringen so seine wahre Schönheit zur Geltung. Zum Beispiel:

»Am Tage der Auferstehung wird Er die ganze Erde in Seiner Hand halten und die Himmel zusammengerollt in Seiner Rechten.« (Sure 39, 67) »An jenem Tag werden Wir den Himmel zusammenrollen, so wie man eine Schriftrolle zusammenrollt...« (Sure 21, 104)
kein Ton