Kurze Worte | Kurze Worte | 45
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Fünfte Ermahnung: Oh du meine Seele, die du die Welt anbetest! Rührt deine Abneigung gegen den Gottesdienst (ibadet) und deine Nachlässigkeit im Gebet etwa von einem Übermaß an weltlichen Beschäftigungen? Oder ist es deshalb, weil du in deiner Sorge um das tägliche Brot so beschäftigt bist, daß du darüber hinaus keine Zeit mehr findest? Oder bist du etwa nur für das Diesseits erschaffen worden, so daß du all deine Zeit dafür aufwendest? Du weißt, daß du hinsichtlich deiner Fähigkeiten über allen Tieren stehst, doch in der Beschaffung aller lebensnotwendigen Dinge für dieses irdische Leben vermagst du weniger als ein Sperling. Warum aber ziehst du dann daraus nicht die Schlußfolgerung, daß es nicht deine ureigentliche Aufgabe ist, dich abzuplagen wie ein Tier, vielmehr dich wie ein wahrer Mensch um das wahre und ewige Leben zu bemühen. Außerdem ist das, was du eine weltliche Tätigkeit nennst, zumeist etwas, das dich nichts angeht. Es sind leerlaufende Beschäftigungen, mit denen du dich überflüssiger Weise einmischst und nur alles durcheinander bringst. Du unterläßt das Notwendigste und vertreibst dir die Zeit mit nutzlosen Informationen, als hättest du ein Leben von Jahrtausenden vor dir. Du fragst zum Beispiel: «Woraus bestehen die Ringe des Saturn?» oder: «Wie viele Rassen von Hühnern gibt es in Amerika?» und vertreibst dir mit dergleichen wertlosen Dingen deine wertvolle Zeit. Als ob du durch Astronomie und Geographie, durch die Wissenschaft und Statistik zur Vollkommenheit (kemal gelangen könntest!...

Sagtest du: «Was mich von Gebet und Gottesdienst (namaz ve ibadet) abhält und eine Art von Lustlosigkeit und Verdrossenheit in mir aufkommen läßt, sind nicht dergleichen überflüssigen Dinge, es sind vielmehr alle jene unabdingbaren Verrichtungen, die mit der Sorge um das tägliche Brot verbunden sind.» Wäre dies so, dann würde ich dir sagen: «Angenommen, du müßtest für hundert Kurusch am Tag arbeiten. Dann käme jemand zu dir und sagte: Komm und schürfe hier für zehn Minuten, dann wirst du Smaragde und Diamanten im Werte von hundert Lira finden! würdest du ihm dann entgegnen: Nein, ich komme nicht. Es würde meinen Tagelohn von hundert Kurusch schmälern, würde mir am Lebensunterhalt fehlen... dann weißt du, was für eine törichte Ausrede das wäre.» Denn genau so arbeitest auch du in diesem Weinberg für deinen Lebensunterhalt. Wenn du nämlich die vorgeschriebenen Gebete vernachlässigst, wird die ganze Frucht deiner Arbeit sich lediglich auf weltlichen, bedeutungslosen Lebensunterhalt beschränken und ohne Segen sein. Wenn du die Zeit für Ruhe und Erholung aber dazu verwendest, dem Atemholen deiner Seele (ruh) und der Ruhe deines Herzens zu dienen, wirst du dir zusätzlich zu einem segensreichen irdischen Lebensunterhalt auch noch einen himmlischen Lebensunterhalt verdienen, einen Vorrat für das jenseitige Leben ansammeln und einen wichtigen Brunnen entdecken, der aus zwei geistigen Quellen gespeist wird:

Erste Quelle: Von allem, was du in deinem Garten*

* Anmerkung: Wenn an dieser Stelle ein Garten als Beispiel gewählt wurde, so geschah dies, um auf diese Weise eine ganz bestimmte Person anzusprechen.

kein Ton