Abhandlung über die Natur | Abhandlung über die Natur | 17
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Oder es habe ein Schreiber Tinte, Feder und Papier gebracht. Wäre es leichter, wenn er nun selbst dieses Buch schriebe... oder sollte er innerhalb des Papieres, der Tinte, der Feder einzig für dieses eine Buch noch mühsamer eine eigene Schreibmaschine erfinden, noch kunstvoller als dieses Buch, und danach zu dieser Maschine, die kein Bewußtsein hat, sagen: Los! Nun schreib mal! und sich selbst nicht weiter darum kümmern? Wäre das etwa nicht hundert Mal schwieriger als das Schreiben?

Wollte man sagen: Ja, eine Maschine zu erfinden, die ein Buch schreiben kann, ist hundertmal schwieriger als dieses Buch. Aber würe es nicht vielleicht doch eine Erleichterung unter dem Aspekt einer Maschine, die von dem gleichen Buch viele Exemplare schreiben kann?

Antwort: Der urewige Künstler hat in Seiner grenzenlosen Macht in den Dingen ihr eigenes Wesen und Antlitz erschaffen und erneuert jeder Zeit das Aufscheinen Seiner Namen, um wieder eine andere Form zu zeigen, so daß kein Brief des Unwandelbaren und kein Buch des Herrn irgendeinem anderen Buche gleich wäre. Injedem Falle wird Er, um wieder eine andere Bedeutungen zum Ausdruck zu bringen auch wieder ein anderes Antlitz wählcn. Wenn du Augen hast, betrachte das menschliche Antlitz und siehe: Von Adams Zeiten bis heute, ja vielleicht in Ewigkeit steht absolut sicher fest, daß jedes Antlitz in Anbetracht der Antlitze allerjedem einzelnen gegenüber ein Unterscheidungsmerkmal aufweist und dabei in diesem kleinen Antlitz die Grundelemente über einstimmen. Deshalb ist jedes einzelne Antlitz ein anderes Buch. Schon die künstlerische Gestaltung erfordert einen unterschiedlichen Schriftsatz, eine andere Gestattung des Buches, eine andere Abfassung des Textes. Auch um das Material zusammenzubekommen und alles an den rechten Ort zu bringen, als auch um alles für den Körper notwendige richtig einzusetzen, benötigt man ein ganz und gar anderes Atelier.

Nun ja, wir habcn einmal den unmöglichen Fall angenommen, die Natur unter dem Aspekt einer Druckerei zu betrachten. Eine solche Druckerei hätte aber außer der Aufgabe, die Texte zu setzen und zu drücken, d.h. in eine gefertigte Gußform zu bringen, auch noch die Aufgabe, die dazu benötigten Bestandteile in dem ihnen eigenen Maße von den Enden der Welt zusammenzubringen, nach einem besonderen System zu verarbeiten und dann dem Druckvorgang anzuvertrauen, wobei die Herstellung des Drucksatzes noch hundert Mal schwieriger wäre als die Verarbeitung der Materie für den Körper eines Lebewesens. Für all das aber ist widerum die Macht und der Wille eines vollkommen Allmächtigen erforderlich, der diese Druckerei erschaffen hat. Das aber heißt, daß die Annahme einer solchen Druckerei und ihrer Vor aussetzungen ein ganz und gar unsinniger Aberglaube ist.

kein Ton