Kurze Worte | Kurze Worte | 26
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Siehe, wie dieser Mann in seiner guten Gesinnung daher kommt! Im Gegensatz zu seinem Bruder gerät er nicht in Bedrängnis. Denn dank der guten Erziehung, die er genossen hat, beschäftigt er sich nur mit dem, was gut ist und träumt nur von den schönen Dingen. Er spricht sich selbst Mut zu. Er braucht auch nicht wie sein Bruder unter Mühsal und Anstrengungen zu leiden. Denn er kennt seine Anordnungen und unterwirft sich ihnen. Ihm öffnen sich alle Türen. Als ein freier Mann bewegt er sich in geordneten und gesicherten Verhältnissen. So gelangt er zu einem Garten. Darin gibt es aber nicht nur schöne Blumen und herrliche Früchte, sondern auch übelerregende Dinge. Denn niemand kümmert sich darum. Auch sein Bruder war schon in einen solchen Garten gekommen. Doch der hatte den Übelkeit erregenden Dingen seine Aufmerksamkeit geschenkt, ja, sich mit ihnen beschäftigt und es war ihm schlecht davon geworden. So verließ er den Garten wieder und ging weg, ohne daß er darin Erholung gefunden hätte. Sein Bruder hingegen hält sich an den Grundsatz: « Sieh in allem das Gute!» Er übersieht die schlimmen Dinge. Er macht von den guten Dingen einen guten Gebrauch. Aufs beste erholt verläßt er den Garten, und setzt seinen Weg fort.

Er geht nun immer weiter und weiter und gelangt wie zuvor sein Bruder zu einer gewaltigen Wüste. Plötzlich hört er das Gebrüll des Löwen, der sich auf ihn stürzen will. Er fürchtet sich. Doch seine Furcht ist nicht so stark wie die seines Bruders. Doch weil er stets nur denkt und annimmt, was gut und schön war, tröstet er sich mit dem Gedanken:«Diese Wüste hat ihren Herrn.Es wäre möglich, daß dieser Löwe ein Diener unter dem Befehl seines Herrn ist.» Dennoch flieht er und gelangt zu einer sechzig Ellen tiefen, ausgetrockneten Zisterne und springt hinein. Wie sein Bruder kann er sich in deren Mitte mit seinen Händen an einem Baum festhalten. An ihm festgekrallt bleibt er mitten in der Luft hängen. Er sieht die beiden Tiere, welche die beiden Wurzeln des Baumes benagen. Er blickt nach oben und sieht den Löwen. Er blickt nach unten und sieht einen Drachen. Gleich seinem Bruder erfährt er sich in einer seltsamen Lage. Auch ihn packt die Angst. Doch seine Angst ist tausendmal kleiner als die seines Bruders... Doch seine gute Erziehung gibt ihm auch hier wieder gute Gedanken ein. Und was diese guten Gedanken betrifft, so zeigen sie ihm alle Dinge im schönsten Licht. So denkt er denn aus diesem Grunde: «All diese seltsamen Ereignisse stehen miteinander in einem Zusammenhang. Es sieht so aus, als folgten sie alle einem höheren Befehl. Wenn das aber so ist, dann ist in allen Dingen ein tieferes Geheimnis (tylsym) verborgen. In der Tat geschieht alles auf Befehl eines verborgenen Herrschers. Wenn das aber so ist, dann bin ich nicht allein. Der verborgene Herrscher kümmert sich um mich. Er stellt mich auf die Probe. Er hat mich aus einem bestimmten Grunde hierher geführt und gerufen. « Aus einer solchen Furcht, der mit ihr verbundenen Vorahnung und allen guten Gedanken heraus, erwächst in ihm die erstaunte Frage: «Wer mag das wohl sein, der mich in dieser Weise prüft und sich mir darin zu erkennen geben will und mich auf diesem seltsamen Wege ans Ziel führt?»

Aus dieser Neugierde und das damit verbundene Bedürfnis, den Herrn dieses Geheimnisses (tylsym) kennenzulernen, erwächst nun die Liebe zu ihm. Aus dieser Liebe aber erwächst ihm der Wunsch,dieses Geheimnis zu entschleiern. Aus diesem Wunsch aber erwächst ihm der Wille (irade), sich nun auch so gut und schön und richtig zu verhalten, daß es dem Herrn (sahib) dieses Geheimnisses wohlgefällt und Er mit ihm zufrieden ist.

kein Ton