Kurze Worte | Kurze Worte | 36
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Des Menschen Geist (ruh) befreit sich vom Druck, entwindet sich seiner Gottvergessenheit, läßt die sinnlosen, vergänglichen Dinge hinter sich, um mit (zum Gebet) verschränkten Armen an der Schwelle des wahren Gebers aller guten Gaben Ihm, dem Unwandelbar-Beständigen (Kayyum-u Baki), Lobpreis und Dank zu sagen für alle Seine Gnadengaben, Ihn um Hilfe zu bitten, sich im Bewußtsein seiner Schwäche vor der allgewaltigen Größe Seiner Majestät zu verneigen, sich vor dieser im Zenit stehenden Vollkommenheit und Ihrer unvergleichlichen Schönheit niederzuwerfen und so seine Bewunderung, seine Liebe und Verehrung und zugleich auch die eigene Nichtigkeit zum Ausdruck zu bringen. Dies alles beinhaltet die Verrichtung des Mittagsgebetes. Wer nicht versteht, wie schön und willkommen, wie notwendig, recht und angemessen das ist, wie könnte der noch ein Mensch genannt werden!

Die Zeit des Nachmittagsgebets ist eine Zeit, welche die Melancholie des Herbstes ahnen läßt, die Trübsal des Alters, die schmerzliche Epoche der Endzeit, und welche an sie erinnert. Nun zeitigt die Arbeit des Tages ihre Ergebnisse. Zudem ist es die Zeit, da die Gnadengaben Gottes, die an diesem Tage sichtbar geworden sind, wie Gesundheit, Sicherheit und gute Arbeit sich zu einer gewaltigen Summe angehäuft haben. Und schließlich ist es die Zeit, da diese große und gewaltige Sonne (sie ist das mächtigste Gestirn an unserem Himmel-d.Ü.) sich dem Untergang neigt und damit das Zeichen setzt und verkündet, daß der Mensch als Beamter Gottes Gast ist und alle Dinge unbeständig und vergänglich sind. Nun steht der Mensch, der sich in seinem Geist (ruh) nach der Ewigkeit sehnt und für die Ewigkeit geschaffen wurde, der Gottum Seiner Güte willen seine Verehrung erweist und unter der Trennung von Ihm leidet, auf, nimmt Abdest (d.h. er vollzieht die heiligen Waschungen), um in dieser Nachmittagszeit das Gebet (= asr, ikindi) zu verrichten und bringt an der Schwelle des Einzigartigen (Samed), dessen, der ohne Anfang (Kadim) und ohne Ende (Baki), Unwandelbar (Kayyum) und Unsterblich (Sermedi ) ist, sein Gebet dar, und nimmt seine Zuflucht zur Güte und Barmherzigkeit Gottes, die unendlich und unvergänglich ist, lobt und preist Gott und dankt Ihm für Seine Gnadengaben, die er stets ohne Anrechnung erhält, verneigt sich demütig vor Gottes Ehrerbietung erheischenden Herrschaft (Rububiyet), wirft sich im Bewußtsein seiner Nichtigkeit vor der Unsterblichkeit Seiner Gottheit (Uluhiyet) nieder. So findet er eine wahrhaftige Tröstung und Ruhe für seine Seele.Wer so mit verschränkten Armen in Dienst und Anbetung vor der Größe Seiner Gegenwart das Gebet verrichtet, der versteht, welch hohe Aufgabe das ist, ein wie angemessener Dienst, welch eine Erstattung naturgemäßer Schuld am rechten Platz, ja sogar die Erlangung einer Seligkeit, die ihm höchstes Glück seines Menschseins bedeutet.

Die Zeit des Abendsgebets ist die Zeit, die zu Beginn des Winters in der Melancholie des Abschieds an die Zeit gemahnt, da nun all die schönen, sommerlichen Geschöpfe aus der Welt einer vergangenen Jahreszeit scheiden müssen.

kein Ton