Dreiundzwanzigstes Wort | Dreiundzwanzigstes Wort | 19
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         Plotzlich andcrte sich die Szene. Ich erblickte mich in einem Zug, der mit Fallgeschwindigkcit durch einen Tun­nel raste. Ich befand mich in Panikstimmung. Esgab kei-nen Ausweg. Man konnte nirgendwohin fliehen. Das Scltsame aber war, daB sich zu beiden Seiten des Zugcs zaubcrhaft schone Blumen und wohischmeckende Friichte zeigtcn. Ich sah sie an wic ein unerfahrener Re-krut und streckte mcinc Hand nach ihncn aus. Ich versuchte, die Blumen zu pfliicken, griff nach den Friich-ten. Abcr die Blumen und Friichte waren mit Disteln und Dornen bedeckt und stachen mir die Hande blutig, wenn ich sie beriihren wollte. Der Zug cntriB sie mir im Vorbeifahren, und sie zerschnitten mir die Hande. Es kam mir sehr teuer zu stehen. Plotzlich sagte ein Bahnar-beiter zu mir: >>Gib mir fiinf Kurusch! Du kriegst so vie-le Blumen und Friichte, wic du willst. Du wirst dir mit deincn zerschnittenen Handen statt fiir fiinf Kurusch fiir hundert Kurusch Schaden ant mi. AuBerdem bekommst du noch eine Strafe. Du darfst sie nicht ohne Erlaubnis pfliicken.<< In meiner Bcdrangnis streckte ich den Kopf hinaus und blickte nach vome, um zu sehen, wann der Tunnel zu Ende sci. Aber an Stelle der Tunnelausfahrt erblickte ich viele Locher. Leute wurden aus dem langen Zug in diese Locher hincingeworfen. Ich sah ein Loch vor mir. Zu seinen beiden Seiten waren ein Paar Grabta-feln aufgestcllt. Ich schaute neugierig hin. Ich sah, daB darauf mit groBen Buchstaben der Name >>SAID<< ge-schrieben stand. >>Ach<<, seufzte ich traurig und betrof-fen. Plotzlich horte ich die Stimme des Herrn, der mir vor der Tur jener Herberge ei nen Rat crteilt hatte, sagen: >>Bist du nun zu Verstand gekommen?<<

        >>Ja<<, sagte ich, >>Aber ich habe keine Kraft mehr. Es gibt keincn Ausweg.<<

       >>Bitte um Verzeihung<<, sagte er, >>und vertraue (dich Gott an)!<<

       >>Das habe ich bereits getan.<<

       Ich erwachte . . . Da war >>der alte Said<< verschwun-den. Ich fand mich als »neuer Said<< wieder.

      Ich werde von diescr geistigen Schau ein, zwei Tcile ausdeuten. Mogees Allah wohlgefalligsein.   Die iibrigen Aspekte mag man selber deuten.

     Was die Reise betrifft, so ist sie eine Reise, die aus der Welt der Seele, dem SchoB der Mutter, durch Jugend und Alter, Grab und Zwischenreich, Auferstehung und Briicke in die Ewigkeit filhrt. Was aber die sechzig Gold-stiicke bctrifft, sobedcuten sie die sechzig Jahre Lebens-zeit. Als ich dieses Gesicht schaute, war ich schatzungs-weise 45 Jahre alt. Ein Zeugnis dariiber habe ich nicht. Aber die verbliebenen funfzehn Jahre fur die Ewigkeit zu wirkcn, dazu hat mir ein aufrichtigcr Schulcr dcs wci-sen Quran Anleitung gegeben. DieHerberge ist fur mich wohl Istanbul. Der Zug aber ist die Zeit. Jedes einzelne Jahr ist ein Wagen. Der Tunnel ist das irdische Leben. Die dornigen Blumcn und Fruchtc sind die verbotcnen Geniisse. Die verbotenen Vergniigungen bereiten bei der Vorstellung ihres Endes Schmerzen, wahrend man sich ihnen hingibt, und lassen das Herz biuten, zerreiBen es, wenn man Abschied nehmen muB. Zudem folgl ih­nen die Strafe. Der Bahnarbeiter hatte gesagt: >>Gib fiinf Kurusch. Dafiir gebe ich dir soviel wie du willst.<< Die Bedeutung dessen ist: Was man durch legale Arbeit im erlaubten Rahmen an GenuB und Vergniigcn crhalt, geniigt fiir das Wohlbefinden. Es ist nicht notwendig, et-was Unerlaubtes zu tun. Die iibrigen Teile kann man sich selber ausdeuten.

kein Ton