Dreiundzwanzigstes Wort | Dreiundzwanzigstes Wort | 20
(1-30)

         Vlerte Anmerkung: Der Mensch gleicht in dieser gan-zen Welt cincm zartcn und zierlichen Kindlcin. Dabei besitzt er in seiner Schwache eine groBe Kraft und in sei-er Hilflosigkeit cine groBe Macht. Denn es ist die Kraft in seiner Schwache und die Macht in seiner Hilflosigkeit, die ihm alles Sein dienstbar macht. Wenn der Mensch sei­ne Schwache begreift, mit seinen Worten, Taten und durch sein Verhalten betet und im BewuBtsein seiner Hilflosigkeit um Hilfe bittet, erweist er zur rechten Zeit seine Dankbarkeit fiir diesen Dienst und erlangt zu glei-cher Zeit die Erfiillung seiner Wiinsche; seine Ziele wer-den ihm erreichbar; und das alles in einer Weise, wie er es aus eigener Kraft nicht zu einem Hundertstel ver-mocht hatte. Aber manchmal schreibt er falschlicherwei-sc die Erfiillung eines Wunsches nach einem Gebet der Tat seiner eigenen Kraft zu. So laBt zum Beispiel die Star­ke in der Schw&che eines Kukens eine Henne eincn L6-wen angreifen, und ein gerade zur Welt gekommenes L6-wenjunges macht diesen reiBenden, hungrigen Lowen sich selbst dienstbar und laBt ihn hungern, um selbst satt Zu werden. Ist diese Starke in der Schwache nicht bemer-kenswert und das     Aufscheinen der Barmherzigkeit (Got-tes) nicht einer Betrachtung wert?...

In gleicher Weise, wie ein verwohntes Kind seinen Wiinschen mit Weinen odcr Betteln Oder cincm trauri-gen Gesicht zum Erfolg verhilft und sich so die Starken unterwirft, so vermochte es mit tausendfacher Starke je-doch nicht einen unter tausend Wunschen zu erfullen. Weil also seine Schwache und Hilflosigkeit zu Liebe und Fiirsorge bewegt, so kann es sich mit seinem kleinen Fin­ger selbst groBe und starke Leute dienstbar machen. Wollte aber nun ein solches Kind diese Liebe verleugnen und die Fiirsorge zuriickweisen und in torichtem Stolze sagen: >>Ich unterwerfe diese Leute meiner Macht!<<, so wiirde es sicherlich eine Ohrfeige bekommen.

       In gleicher Weise zieht sich auch der Mensch, der die Barmherzigkeit seines Schopfers verleugnet und dessen Wcisheit verwirft und wie Qarun* undankbar gegeniiber der Gabe (Gottes) sagt:

      • >lch habe das durch tnvin eigenes Wtssen und rneine eigene Macht erhal-ten.« (28,78)

sicherlich selbst auch eine solche >>Ohrfeige<< zu. Wie wir also gesehen haben, wurden ihm solche Werte wie menschliche Konigsherrschaft, personliches Wachstum und kulturelle Vollkommenheit nicht als sein Verdienst, nicht infolge eines Sieges, nicht durch Kampf gegeben,

     * Er revoltierte gegen Moses. (A.d.O.) sondern das alios wurde ihm aufgrund seiner Schwache unterworfen; ihm wurde aufgrund seiner Hilflosigkeit geholfen; es wurde ihm aufgrund seiner Armut als Wohl-tat erwiesen, aufgrund seiner Unwissenheit eingegeben, aufgrund seiner Bediirftigkeit als Gastgeschenk verehrt. Und der Grund seiner Konigshcrrschaft ist nicht Machl und wissenschaftliches Konnen, es isl vielmehr die Giite und das Erbarmcn des Herrn, die Barmherzigkcit und Weisheit Gottcs, die ihm allc Dinge dienstbar gemacht hat. Ja, was den Menschen, den solches Ungeziefer wie ein Skorpion ohne Augen Oder eine Schlange ohne Beine zu besiegen vermag, sich in die Seide einer kleinen Rau-pe kleiden und den Honig eincs giftigen Insektes essen laBt, ist nicht seine Macht, es ist vielmehr die Unterwer-fung des Herrn als Folge menschlicher Schwache und ein Gastgeschenk der Barmherzigkcit (Gottcs).

kein Ton