Wort | Zehntes Wort - Zweites Kapitel | 87
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Dritter Grundsatz: Du verstehst auch, dass der Schmuck, mit dem diese Welt ausgestattet ist, nicht nur dem Vergnügen und dem Zeitvertreib dient. Denn diente er nur eine Zeitlang dem Genuss, so verursachte doch seine Aufgabe einen Schmerz für lange Zeit. Er gleicht einer Kostprobe, die den Appetit anregt, ohne ihn zu befriedigen. Denn entweder ist er selbst nur von kurzem Bestand oder aber dein eigenes Leben dauert nur kurze Zeit. Es reicht nicht zur Befriedigung. Das heißt, sein Wert ist zwar hoch, aber nur von kurzer Dauer. Dieser Schmuck dient zur Belehrung, verlangt unsere Dankbarkeit. Er dient der Nachfrage nach den beständigen Originalen. Er dient anderen, hocherhabenen Zielen *...

Vierter Grundsatz: Du verstehst, dass der Schmuck dieser Welt den Nachbildungen und Abbildungen der Gnadengaben gleicht, die durch das Erbarmen des Barmherzigen für die Gläubigen im Paradies aufbewahrt werden *.

Fünfter Grundsatz: Man versteht auch, dass diese vergänglichen Kunstwerke nicht für die Vergänglichkeit erschaffen wurden, um sich ein bisschen zu zeigen und danach vernichtet zu werden, sondern um sich in diesem Dasein für eine kurze Zeit zu versammeln, ihre vorbestimmte Form anzunehmen, damit ihre Bilder festgehalten, ihre Nachbildungen aufbewahrt werden können, damit man ihren Sinn zu verstehen, ihren Zweck zu verzeichnen vermag...

So sollen sie z.B. für die Bewohner der Ewigkeit zu einer bleibenden Ansicht gewebt sein. Auch sollen sie in der bleibenden Welt noch anderen Zwecken dienen. Die Dinge wurden für die Dauer erschaffen, nicht um zu vergehen; ja, selbst wenn sie äußerlich vergehen...mihre Aufgabe erfüllt haben und sie entlassen werden, so versteht man auf diese Weise, dass ein vergängliches Ding zwar in der einen Hinsicht seiner Vernichtung entgegengeht, in vielerlei Hinsicht aber bestehen bleibt. Betrachte zum Beispiel diese Blume, welche ein Wort der Allmacht Gottes ist. Diese Blume schaut und lächelt uns für eine kurze Zeit an. Danach verbirgt sie sich hinter dem Schleier des Nicht-mehr-Seins. Aber sie geht so wie ein Wort, das deinen Mund verlassen hat, und hinterlässt in den Ohren tausende Seinesgleichen. In dem Verstand derer, die es verstehen, verbleiben ihrer Anzahl entsprechend ebenso viele Bedeutungen. Denn nachdem es seine Bedeutung zum Ausdruck gebracht und damit seine Aufgabe erfüllt hat, vergeht und entschwindet es selbst. Auch die Blume entschwindet, nachdem sie allen, die sie wahrgenommen haben, ihre Gestalt ins Gedächtnis eingeprägt, und in jedem ihrer Samenkörner das Wesen ihres Seins zurückgelassen hat. Es ist, als gleiche jedes Gedächtnis und jedes Samenkorn einer Kamera, ihren Schmuck aufzubewahren, und einer Wohnung zu ihrer bleibenden Fortdauer.

kein Ton