Sechsundzwanzigster Blitz | Dreizehnte Hoffnung | 15
(14-23)

Das heißt: »Gäbe es keine Trennung von den Freunden, so könnte der Tod keinen Weg zu unserer Seele finden, sie nicht erreichen, um sie zu holen.« Das heißt also, was in tiefster Seele den Menschen sterben lässt, ist die Trennung von den Freunden. So hat denn in der Tat noch niemals ein Schmerz so sehr in mir gebrannt, mich weinen lassen. Wenn mir keine Hilfe aus dem Qur’an und aus dem Glauben gekommen wäre, würde dieser Gram, dieses Leid und diese Trauer in mir so übermächtig geworden sein, dass sie in mir die Seele hätte vertrieben. Schon in alter Zeit weinten die Dichter über die Wohnstätten, in denen sie sich mit ihren Freunden getroffen hatten und die mit der Zeit zu Ruinen wurden. Ich hatte eine Szene voll unendlichem Schmerz, Trennung und Leid vor Augen. Trauer eines Mannes, der nach zweihundert Jahren in die Wohngebiete seiner Freunde zurückkehrt, die er so sehr geliebt hatte... da weint mein Auge, weinen mit ihm mir Seele und Herz. Vor meinen Augen zeigte sich mir damals die Zeit, in der sich, so wohl bebaute fröhliche, bevölkerte und belebte Plätze in Trümmerfelder verwandelt hatten, eine Zeit, wo ich in meinem schönsten Leben mit knapp zwanzig Jahren mit einem Lehrauftrag tätig gewesen war und sie mit meinen ehrenwerten Schülern verbracht hatte, gleich den schönsten Szenen auf einer Leinwand und wurde eine nach der anderen wieder lebendig. Dann starben sie dahin und verschwanden wieder und das ganze setzte sich noch eine Weile vor meinem inneren Auge fort. Damals staunte ich sehr über die Haltung der Weltleute. Auf welche Weise betrügen sie sich? Denn so wie diese Lage nun einmal ist, zeigt sich doch offensichtlich, wie vergänglich die Welt ist und dass die Menschen in ihr nur Gäste sind. Ich sah nun mit eigenen Augen, wie richtig es ist, wenn die Kenner der Wahrheit immer sagen: »Die Welt ist verräterisch, betrügerisch, und schlecht. Von ihr sollt ihr euch nicht täuschen lassen.«

Ich erkannte auch selbst, dass der Mensch, wie er mit seinem Körper und seinem Haus verbunden ist, genauso auch mit seiner Stadt, mit seinem Land, sogar mit seiner Erde verbunden ist. Denn, als ich angesichts meines Körpers voll Mitleids mit mir selbst und über mein Alter mit nur zwei Augen weinte, so wollte ich über meine Medresse, nein, nicht wegen ihres Alters, sondern über ihren Tod mit zehn Augen weinen. Und wegen des Todes der Hälfte meines schönen Heimatlandes muss man und muss ich mit hundert Augen weinen. Es ist eine Hadith überliefert, die sagt: An jedem Morgen ruft ein Engel:

kein Ton