Wort | Zehntes Wort - Abhandlung über die Auferstehung | 59
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Erstes Bild: Wäre es überhaupt möglich, dass in einem Königreich - und besonders in einem Königreich von solchem Glanz, die Untertanen für gute Dienstleistungen keinen Lohn und die Aufständischen keine Strafe empfingen? Es scheint, als gäbe es hier dergleichen nicht. Das heißt, es muss an einem anderen Ort einen Obersten Gerichtshof geben.

Zweites Bild: Betrachte einmal den Handel und Verkehr! Wie jedermann, auch der Ärmste und Schwächste unter ihnen so gut und so vollkommen versorgt wird! Selbst die Kranken, die niemanden haben, werden bestens versorgt. Zudem gibt es kostbare und erlesene Speisen, wertvolles Geschirr, edelsteingeschmückte Orden und Ehrenzeichen, die schönsten Festtagskleider und königliche Gastmähler. Sieh einmal, wie sehr ein jeder, ausgenommen so Verblendete wie du, seinen Pflichten die höchste Aufmerksamkeit schenkt! Niemand überschreitet auch nur um einen Zoll seine Grenzen. Die größte Persönlichkeit verrichtet ihren Dienst in Demut, Gehorsam und Bescheidenheit und in aller Ehrfurcht. So besitzt also der Herr dieses Königreichs höchste Freigiebigkeit und allumfassendes Erbarmen, wie auch größte Würde, höchste Majestät, Ehre und Ansehen. Freigiebigkeit aber erfordert es, Huld zu erweisen. Erbarmen kann ohne die Güte nicht sein. Zudem ist es notwendig, zu tun, was der Würde entspricht und die Selbstachtung erfordert. Ehre und Ansehen erfordern es, dass die Ehr- und Würdelosen bestraft werden. Aber in diesem Land wird kaum ein tausendstel dessen erfüllt, was der Barmherzigkeit und Würde entspricht. Der Unterdrücker verharrt in seinem Stolz und der Beleidigte in seiner Erniedrigung; sie ziehen von dannen, scheiden von hinnen. Das heißt, alles bleibt einem Obersten Gerichtshof überlassen.

Drittes Bild: Siehe, mit welch erhabener Weisheit und Wohlgeordnetheit alles ausgeführt wird! Und auch mit welch wahrhafter Gerechtigkeit und Ausgewogenheit alles Nötige erledigt wird! So erfordert es die Weisheit der Staatsführung, dass die Flüchtlinge, die unter königlichem Schutz Zuflucht gesucht haben, mit Wohlwollen aufgenommen werden. Und die Gerechtigkeit erfordert, dass die Untertanen in ihren Rechten geachtet werden, damit das Ansehen des Staates und seine königliche Majestät gewahrt bleiben.

Aber in diesen Breiten wird kaum ein tausendstel dessen erfüllt, was einer solchen Weisheit und Gerechtigkeit entspricht. Doch gleich dir ziehen die meisten verblendet, ohne ihre Strafe erlangt zu haben, von dannen. Das heißt, alles bleibt einem Obersten Gerichtshof überlassen.

kein Ton