Wort | Einundzwanzigstes Wort - Die Wunden des Herzens | 391
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Ja, die bewusste meditative Wahrnehmung des Menschen (sirr-i insani) und die lichterfüllten Blumen des Herrn (latife-i Rabbaniye), die sich von Natur aus nach Ewigkeit sehnen und für die Ewigkeit erschaffen wurden, die ein Spiegel des Herrn von Ewigkeit zu Ewigkeit und so äußerst fein und empfindsam sind, bedürfen unter den kummervollen, zermürbenden, beklemmenden, vergänglichen, finsteren und bedrückenden Ereignissen dieses Lebens ganz besonders eines beständigen Atemholens und nur durch das Fenster des Gebetes vermögen sie eine solche Liebkosung zu empfangen.

Dritte Ermahnung: Oh meine ungeduldige Seele! Du denkst noch heute darüber nach, wie du dich in vergangenen Tagen darum bemüht hast, Gott zu dienen (ibadet), wie du dich angestrengt hast, dein Gebet zu verrichten, wie du dich wegen deines Unglücks geplagt hast und du machst dir darüber Sorgen. Desgleichen stellst du dir die Aufgabe künftigen Gottesdienstes (ibadet), die Verpflichtung zum Gebet und das Leiden an einem kommenden Unglück schon heute vor und zeigst dich ungeduldig. Aber ist das denn überhaupt sinnvoll?

In deiner Ungeduld gleichst du einem Kommandanten, der sich in seiner Verwirrung so verhält, dass er seine eigene Kampfkraft in der Mitte schwächt, indem er eine starke Streitmacht zum rechten Flügel befiehlt, obwohl der rechte Flügel der feindlichen Streitmacht bereits zum rechten Flügel der eigenen Streitmacht übergelaufen ist. Obwohl also nun der linke Flügel des Feindes von Soldaten entblößt ist, schickt er eine starke Streitmacht dorthin, wo doch gar jemand angelangt ist und befiehlt: »Feuer!« So sind seine eigenen Streitkräfte aus der Mitte ganz und gar abgezogen. Der Feind erfasst die Lage, greift in der Mitte an und stiftet dort heillose Verwirrung. Du gleichst ihm in der Tat. Denn die Anstrengungen der vergangenen Tage sind heute in Barmherzigkeit verwandelt worden. Schmerz ist vergangen; Freude ist geblieben. Plage hat mit (Gottes) Gnadengabe einen Bund geschlossen; Anstrengung verwandelte sich in Belohnung. Wenn das aber so ist, dann darfst du über all dem nicht Überdruss und Langeweile empfinden, vielmehr eine neue Begeisterung, eine wiedererwachte Freude in dir verspüren, die dich kräftig dazu anspornt, weiterzumachen. Was aber die künftigen Tage betrifft, so ruhen sie noch in der Zukunft Schoß. Schon heute darüber nachzudenken und dabei Langeweile und Überdruss zu empfinden ist die gleiche Torheit, wie schon heute über dem Gedanken an Hunger und Durst in Wehgeschrei und Tränen auszubrechen.

kein Ton