Wort | Einundzwanzigstes Wort - Die Wunden des Herzens | 405
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So wie Ideen, Vorstellungen, Bilder und Gedanken nicht deren Annahme und noch keine Bestätigung sind, so werden sie auch nicht unter die Ungewissheiten und Zweifel gerechnet. Wenn sie jedoch durch beständige und immerwährende nutzlose Wiederholung zum Dauerzustand werden, so kann aus ihnen durchaus eine Art tatsächlicher Zweifel entstehen. Wer hingegen behauptet, er wolle ja nur unparteiisch urteilen, er denke nur, was recht und billig ist, und so immer wieder die Gegenseite unterstützt, der gleitet schließlich in jenen Zustand, wo er unfreiwillig die Gegenseite unterstützt. Er zerbricht die Verteidigung der Wahrheit, zu der er verpflichtet gewesen wäre. Somit gerät er zugleich auch in Gefahr. Wer sich zum selbsternannten Verteidiger der Gegenseite oder zum advocatus diaboli macht, in dessen Denkweise verfestigt sich dieser Zustand am Ende gar. Das Entscheidende bei dieser Art von Einflüsterung ist dieses: Der von einer solchen Einflüsterung geplagte Mensch verwechselt eine Möglichkeit, die an und für sich besteht (imkan-i dhati) mit einer Möglichkeit als gedankliche Vorstellung, d.h. er stellt sich das, was er an und für sich für möglich ansieht, auch in Gedanken als möglich vor (d.h. er stellt sich das, was theoretisch möglich wäre, auch als praktisch möglich vor - A.d.Ü.) und sein Verstand gerät darüber in Zweifel (ob es nicht vielleicht tatsächlich so wäre - A.d.Ü.). Als ein Grundsatz der Theologie gilt jedoch:

»Eine Möglichkeit an sich widerspricht nicht einer wissenschaftlichen Tatsache und steht nicht im Widerspruch zu einer gedanklichen Konsequenz.« Zum Beispiel ist es an und für sich möglich, dass das Schwarze Meer in diesem Augenblick von der Erde verschluckt wird und als eine solche Möglichkeit an und für sich vorstellbar ist. Doch ist mit Sicherheit unser Urteil darüber, dass das Meer noch an seiner Stelle ist. Dies wissen wir ohne einen Zweifel und diese Möglichkeit an sich weckt nicht etwa einen Verdacht, lässt keinen Zweifel offen, vermag unsere Sicherheit nicht zu erschüttern. Oder ein anderes Beispiel: Es wäre an und für sich möglich, dass die Sonne heute nicht unterginge oder morgen nicht wieder aufginge. Diese Möglichkeit kann unserer Gewissheit jedoch keinen Schaden zufügen, vermag sie nicht in Zweifel zu ziehen. So kann denn dementsprechend z.B. der Untergang unseres irdischen Lebens und der Aufgang des Lebens im Jenseits, den Glaubenswahrheiten entsprechend, durch die Zweifel, die aus einer bloßen Möglichkeit (imkan-i dhati) erwachsen unserer Glaubensgewissheit keinen Schaden zufügen. Desgleichen gilt:

kein Ton