Wort | Einundzwanzigstes Wort - Die Wunden des Herzens | 404
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Fünfter Aspekt: Dies ist eine Einflüsterung in Glaubensdingen, welche die Gestalt eines Zweifels annimmt. Der arme, von einer solchen Einflüsterung geplagte Mensch verwechselt zuweilen eine flüchtige Idee mit einer festen Überzeugung, d.h. er meint, der Zweifel, der seine Phantasie erregt hatte, habe von seinem Verstand Besitz ergriffen und er sei dadurch in seinem Glauben schwach geworden. Er meint also, diese Annahme, mit der er sich gelegentlich in seiner Phantasie beschäftigt, sei ein Zweifel, der an seinem Glauben nagt. Er meint, dass dieser Zweifel, den er sich in seinem Inneren ausgemalt hatte, ein Zweifel sei, der bereits in seinem Verstand eine Bestätigung gefunden habe. Er meint schließlich, ein zeitweiliges Nachdenken über den Unglauben sei bereits Unglaube (kufr), d.h. er meint, wenn er seine Gedanken in der Form kreisen lasse, dass er versuche, die Gründe des Irrglaubens zu erfassen, zu analysieren und sie unparteiisch zu beurteilen, so stünde dies im Widerspruch zu seinem Glauben. So erschrickt er über diese Mutmaßungen, welche ein Werk des Teufels und seine Einflüsterung sind und er ruft: »Oh weh! Mein Herz ist verdorben. Ich habe Schaden genommen an meinem Glauben.«

Da diese Zustände sich meistens ungewollt einstellen und durch einen willentlichen Entschluss nicht wieder zu beheben sind, verfällt er der Verzweiflung. Das Heilmittel für diese Wunde ist folgendes:

So wie die Idee des Unglaubens kein Unglaube ist, so ist auch ein lediglich vorgestellter Unglaube kein Unglaube. So wie ein Irrglaube, den man sich ausgemalt hat, kein Irrglaube ist, so ist auch das Nachdenken über den Irrglauben kein Irrglaube, denn Ideen, Vorstellungen, Bilder der Phantasie und Gedankengebilde sind das eine, die Bestätigung durch den Verstand und die Annahme des Herzens sind das andere, also voneinander verschieden. Sie agieren in gewissem Grade unabhängig. Sie hören nicht besonders auf den Entschluss und den Befehl des Willens. Man kann sie nur schlecht der religiösen Verantwortung unterziehen. Mit der Annahme und der Bestätigung ist das aber anders. Sie sind der Waage verpflichtet (d.h. sie haben ihr Maß - A.d.Ü.).

kein Ton