Wort | Zweiunddreißigstes Wort | 981
(925-1007)

Im »Achten Wort« wurde der Zustand zweier Brüder miteinander verglichen, die in eine Zisterne gesprungen waren: So wie ein Mann in einem schönen Garten, bei einem prächtigen Gastmahl unter guten Freunden sich nicht mit den sauberen, geschmackvollen, ehrbaren, willkommenen und erlaubten Freuden und Genüssen begnügt, wenn er stattdessen, um eines unerlaubten, zweifelhaften Genusses willen etwas von einem widerwärtigen, unlauteren Getränk (= Wein) zu sich nähme und sich nun in seinem Rauschzustande einbildete, es wäre mitten im Winter und er befände sich an einem schmutzigen Platz, ja inmitten von Drachen und begänne nun zitternd Zeter und Mordio zu schreien.

So wie dieser kein Mitleid verdiente, wenn er seine achtbaren und ehrenwerten Freunde als eine Drachenbrut betrachtet und sie solcherart beleidigt, so wenig verdient ein solcher Mensch Mitleid, sondern Schläge, wenn er bei dem Gastmahl die wohlschmeckenden Speisen wegwirft, wenn ihm das saubere Tafelgeschirr wie Unrat und schmierige Steine vorkommt und er sie zu zerbrechen beginnt und wenn ihm überdies in der Festversammlung die Heiligen Bücher und die bedeutsamen Schriften wie unbedeutende und einfältige Verschönerungen erscheinen und er sie zerreißt und auf den Boden wirft usw....

Aus dem Missbrauch seiner Freiheit erwächst ihm der Unglaube, der ihm die Sinne benebelt, und in dem Wahnsinn seines Irrweges erscheint ihm die Welt, die doch eine Herberge des allweisen Meisters ist, als sei sie ein Spielball der Natur, als spiele der Zufall mit ihr. Er stellt sich vor, dass alle die Kunstwerke, die doch eine Erscheinung der Namen Gottes sind, wie sie ständig erneuert werden und - wenn ihre Zeit abgelaufen und ihre Aufgabe erfüllt ist - in die unsichtbare Welt hinüberwechseln, verurteilt und vernichtet werden. Der Lobpreis (tesbihat) der ganzen Schöpfung kommt ihm so vor, als sei er das Wehgeschrei des Verfalls und der ewigen Trennung. Diese Schöpfung, die doch ein Brief des Ewigen (mektubat-i Samedaniye) ist, alle diese Seiten vom Dasein erscheinen ihm wie eine inhaltslose Kritzelei. Das Tor des Grabes, das sich zur Welt der Barmherzigkeit öffnet, stellt er sich als den finsteren Schlund der Nicht-Existenz vor. Ist seine Frist gekommen und er eingeladen, seinen wahren Freunden (habib) wieder zu begegnen, so glaubt er, nun sei er an der Reihe, sich von allen seinen Freunden zu trennen. So bringt er sich selbst in fürchterliches Leid und Elend. Zudem will er alles, was da ist, die Namen Gottes des Gerechten und Seine Briefe nicht anerkennen, verachtet, ja beleidigt er sie. Deshalb verdient er weder Mitleid (merhamet) noch Erbarmen (shefqat), vielmehr ist nun harte Bestrafung sein Sold. Mitleid hat er jedoch auf gar keinen Fall verdient.

kein Ton