Brief | Neunzehnter Brief | 273
(118-299)

Achter Tropfen: Wenn man aber weiß, wie ein großer Herrscher mit großer Anstrengung kaum eine unbedeutende Gewohnheit – wie das Rauchen – selbst in einem kleinen Stamm für die Dauer aufzuheben vermag, dann betrachte man, wie diese Persönlichkeit viele und starke Gewohnheiten selbst bei diesen starrköpfigen, ihren Sitten verhafteten großen Stämmen, mit äußerlich nur geringer Macht, mit nur geringer Anstrengung in kurzer Zeit überwandt. An ihre Stelle pflanzte und befestigte er in ihnen höchste moralische Werte, welche ihnen bei weitem in Fleisch und Blut übergegangen und verwachsen sind. Und noch sehr viel dergleichen Wunderbares bringt er zur Durchführung. Wer aber nun diese »Glückliche Zeit« (des Propheten) nicht sehen will, dem sei die Halbinsel Arabien vor Augen geführt! Möge er hunderte von Philosophen mit sich nehmen, dorthin gehen, hundert Jahre arbeiten. Könnte er auch nur ein Hundertstel dessen vollbringen, was diese Persönlichkeit unter den Umständen seiner Zeit in einem einzigen Jahr geschaffen hat?

Neunter Tropfen: Wenn man zudem weiß, dass selbst ein kleiner Mann von wenig Ehrgefühl nicht während eines Streitgesprächs inmitten einer kleinen Gemeinschaft und auch nicht in einer unbedeutenden Angelegenheit eine Behauptung aufstellen und unverhüllt-unbekümmert eine kleine Lüge aussprechen kann, deren man sich schämen muss, ohne seinen Feinden neben sich seine Sorge und Beunruhigung zu zeigen und sie so die Täuschung verspüren zu lassen, dann betrachte man diese Persönlichkeit, betraut mit einer großen Aufgabe, ein großer Beauftragter mit einem großen Ehrgefühl, in einer Lage, wo er der Sicherheit so notwendig bedarf, inmitten einer sehr großen Gemeinschaft, angesichts einer sehr großen Feindschaft vor sehr bedeutenden Aufgaben, einer großen Mission spricht er mit sehr großem Freimut, ohne Angst, ohne Zweifel, Verlegenheit oder Unruhe zu zeigen, mit aufrichtiger Lauterkeit, mit einem großen Ernst, mit majestätischer Strenge, mit Worten, die seine Feinde in Wut versetzen. Vermag man darin wohl einen Widerspruch zu entdecken? Kann mit ihnen wohl eine Lüge vermengt sein? Keineswegs!

»Es ist dies nichts Anderes als das, was als Offenbarung eingegeben wurde.« (Sure 53, 4)

Ja, die Wahrheit betrügt nicht und der die Wahrheit schaut, wird nicht betrogen. Und Wahrheit als Berufung ist frei von Betrug. Wie könnte vor seinen die Wahrheit schauenden Augen eine Illusion als Realität (= Wahrheit) erschienen sein, ihn betrogen haben...

kein Ton