Brief | Neunundzwanzigster Brief | 620
(528-621)

Das heißt, wo die Seele sich vergessen will, soll man sie nicht vergessen. Das heißt, man soll sich vergessen, wo es um Freude und Wünsche geht, und an sich denken, wenn es sich um Tod und Dienst handelt.

Dritter Schritt: Wie die Ayah

»Was dich an Gutem trifft, kommt von Gott, was dich an Schlimmen trifft, von dir selber.« (Sure 4, 79)

diesen Unterricht erteilt: Die Besonderheit der Seele ist es, das Gute sich selbst zu vermachen und darauf stolz und hochmütig zu sein. In diesem Schritt soll man bei seiner Seele nur Fehler, Mängel, Schwäche und Armseligkeit erkennen und verstehen, dass alle Schönheiten und Vollkommenheiten Geschenke sind, die von dem majestätischen Schöpfer gegeben wurden. Man soll an der Stelle von Stolz Gott danken und an der Stelle von Selbstruhm Gott loben. Auf dieser Stufe ist ihre Läuterung nach dem Geheimnis

»Wohl ergeht es dem, der sie von sich aus rein hält.« (Sure 91, 9)

folgendes: Man soll seine Vollkommenheit in seiner Unvollkommenheit, seine Macht in seiner Schwäche, und sein Reichtum in seiner Armseligkeit wissen.

Vierter Schritt: Wie die Ayah

»Alles ist dem Untergang geweiht, nur Er (wörtlich: Sein Antlitz) nicht.« (Sure 28, 88)

diesen Unterricht erteilt: Die Seele hält sich für frei und selbständig und unabhängig existent. Daher beansprucht sie eine Art Herrschaft. Sie ist ihrem Angebeteten gegenüber feindselig und aufständisch gesinnt. Sie kann sich so davor retten, indem sie diese folgende Wahrheit begreift. Die Wahrheit ist folgendermaßen: Jedes Ding ist in seinem Wesen, wenn man es aus sich selbst heraus sinnvoll betrachtet, vergänglich, nicht vorhanden, eine Eingebung und nicht existent. Aber wenn man es wie ein Verhältniswort in der Grammatik betrachtet und dass es als ein Spiegel für die Namen des majestätischen Schöpfers dient und beauftragt ist, so ist es ein Zeuge, ein Bezeugter, es hat einen Körper und es existiert. An dieser Stelle ist ihre Läuterung und Reinigung folgendermaßen: In ihrer Anwesenheit ist sie abwesend und in ihrer Abwesenheit ist die anwesend. Das heißt: Wenn sie sich für etwas hält und denkt, sie würde selbständig existieren, so sitzt sie in einer dermaßen großen Finsternis der Abwesenheit im Umfang des ganzen Kosmos. Das heißt, wenn sie auf ihre persönliche Existenz vertraut und Denjenigen, der sie in Wahrheit ins Dasein brachte, vergisst, so liegt sie wie ein Leuchtkäfer mit einem persönlichen Licht im Körper in grenzenloser Finsternis der Abwesenheit und der Trennungen. So ertrinkt sie. Wenn sie aber den Egoismus verlässt und einsieht, dass sie persönlich nichts ist und nur ein Spiegelbild dessen, der alles in Wahrheit erschafft, da gewinnt sie die ganze Schöpfung und einen grenzenlosen Körper.

kein Ton