Wort | Zehntes Wort - Zweites Kapitel | 75
(69-106)

Zweite Wahrheit: Das Tor zu Freigiebigkeit und Barmherzigkeit ist die Manifestation Seiner Namen »Freigiebiger« (Kerim) und »Barmherziger« (Rahim). Wäre es denn überhaupt möglich, dass der Herr dieser Welt, der sich in Seinen Werken als der, welcher »ohne Maß« Freigiebigkeit und Barmherzigkeit, unendliche Ehre und grenzenlosen Ruhm besitzt, keine Belohnung bereit hielte, die Seiner Freigiebigkeit und Barmherzigkeit würdig ist, und keine Bestrafung, die Seinem Ruhm und Seiner Ehre entspricht? Ja, wenn man den Lauf der Welt betrachtet, dann sieht man, dass allen Lebewesen, von den schwächsten und ärmsten angefangen bis zu den stärksten, die Versorgung gegeben wird, die ihnen entspricht *. Die Schwächsten und Ärmsten werden bestens versorgt. Jeder Leidtragende erfährt von unerwarteter Seite Heilung. Ihm wird mit so erhabener Freigiebigkeit der Tisch bereitet und Gastfreundschaft erwiesen, dass darin ganz offensichtlich eine Hand von grenzenloser Freigiebigkeit sichtbar wird.

So sind zum Beispiel alle Bäume im Frühling, den Paradies-Jungfrauen gleich, wie in Seidenbrokat gekleidet, mit ihren Blumen und Früchten wie mit Juwelen geschmückt, und dienen uns mit ihren Zweigen gleich feinen Händen. Sie bieten uns verschiedenartige wohlschmeckende Früchte gleich Kunstwerken an. Zudem empfangen wir aus der Hand der Biene mit ihrem giftigen Stachel einen gesunden und wohlschmeckenden Honig. Wir werden in die schönsten und seidenweichsten Kleider gehüllt aus der Hand eines Insekts, das keine Hände hat. Und auch eine große Schatzkammer des Erbarmens ist in einem winzigen Kern für uns aufbewahrt. Es versteht sich von selbst, welch eine Freigiebigkeit in Schönheit und welch ein einfühlsames Erbarmen in diesen Werken zum Ausdruck kommt. Zudem erfüllen - den Menschen und manche wilde Tiere ausgenommen - die Sonne, der Mond, die Erde und so auch alle Geschöpfe bis hin zu den kleinsten ihre Pflicht mit ganzer Aufmerksamkeit, überschreiten ihre Grenzen nicht einen Fingerbreit und handeln so in einem sie alle umfassenden Gehorsam gegenüber einer gewaltigen Autorität. Dies zeigt, dass sie auf Befehl eines Herrn (Sahib) von hoher Majestät und Würde tätig werden. Es ist ebenso offensichtlich, dass die Art, in der alle Mütter in ihrer erbarmenden Zärtlichkeit sowohl in der Pflanzen- und in der Tier- als auch Menschenwelt ihre schwachen kleinen Kinder mit einer so wohlausgewogenen Nahrung, wie z.B. der Milch, aufziehen, eine Manifestation jenes Erbarmens ist, wie sie in ihrer ganzen Weite und Breite zur Auswirkung kommt. *

Dieser Weltenlenker verfügt also, wie wir oben gesehen haben, über eine Freigiebigkeit ohne Grenzen und ebenso über ein Erbarmen ohne Maß, und Seine Majestät und Ehre sind in hohem Grade erhaben. Eine so hohe und erhabene Majestät und Ehre aber erfordert, dass die Unbotmäßigen bestraft werden. Eine Freigiebigkeit (kerem) ohne alle Grenzen aber verlangt danach, sich in einer Gastfreundschaft (ikram) ohne Maß zum Ausdruck zu bringen. Grenzenloses Erbarmen aber verlangt danach, sich in Wohltaten zu äußern und einer Güte, die dessen würdig ist. Doch in dieser vergänglichen Welt und in dieser kurzen Lebenszeit kann - gleich einem Tropfen aus dem Meer - nur eine Winzigkeit unter Millionen Winzigkeiten dessen Ausdruck finden und sich manifestieren.

kein Ton