Wort | Einundzwanzigstes Wort - Die Wunden des Herzens | 399
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Dinge aber, denen man irgendeine Bedeutung beimisst, ziehen als Bildgestalten ihres Wegs dahin. Der Gedanke, der vorüberzieht, wird je nach Art entweder von der Phantasie bekleidet, oder aber sie hängt ihm nach, oder sie besudelt ihn, oder sie verschleiert ihn. Wenn die Gedanken rein und heilig sind, die Phantasiegestalten aber schamlos und schmutzig sind, so werden sie nicht (von der Phantasie) bekleidet, sondern nur von ihr berührt. Ein skrupulöser Mensch aber verwechselt diese Berührung mit ihrer Gestaltung. »Oh weh!« sagt er. »Wie verdorben ist doch mein Herz! Diese elende, niedrige, gemeine Gesinnung meiner Seele jagt mich in die Flucht.« Der Teufel zieht aus dieser Empfindsamkeit einen sehr großen Nutzen. Die Salbe für diese Wunde ist folgende:

Höre einmal, du Ärmster! Wie die äußerliche Reinheit das Fahrzeug zur kultischen Gesittung für dein Gebet darstellt, so schadet das Unreine, welches sich im Inneren deiner Eingeweide befindet ihr nicht und zerstört sie nicht. Ebenso gilt: der Heiligkeit der Gedanken schadet die Nachbarschaft zu unreinen Bildern und Gestalten nicht. Zum Beispiel: du denkst über die göttlichen Verse (ayat-i Ilahiye) nach. Plötzlich wirst du in deinen Empfindungen heftig von einer Krankheit oder dem Wunsch, ein Bedürfnis zu befriedigen oder deine Notdurft zu verrichten geplagt. Sicherlich wirst du in deiner Phantasie nach einer Medizin Ausschau halten, den Ort zu deiner Erleichterung aufsuchen. Sie wird dir die entsprechenden niederen Bilder weben und die aufsteigenden Gedanken werden durch sie hindurchziehen. Sie werden bei ihrem Durchgang nicht beschädigt, nicht befleckt, nicht gefährdet, nicht gemindert. Eine Gefahr besteht nur darin, seinen Blick auf diese Dinge einzuengen, zu meinen, ein Schaden sei durch sie entstanden.

Dritter Aspekt ist wie folgt: Unter den Dingen finden sich manche verborgene Verbindungen (Assoziationen). Ja sogar unter denjenigen Dingen, mit denen dich keinerlei Erwartungen verbinden, finden sich solche Verbindungsfäden. Diese (Verbindungen) können entweder unmittelbar vorhanden sein, oder aber deine Phantasie spinnt diese Fäden je nach Art der Dinge, mit denen sie sich beschäftigt und verbindet sie so miteinander. Aus diesem Geheimnis gegenseitiger Verbundenheit erwächst es, dass manchmal der Anblick von etwas Reinem und Heiligem die Erinnerung an unreine Dinge hervorruft.

kein Ton