Die Wahrheit aber sollte folgendermaßen sein: Dies ist keine Liebe (muhabbet), sondern eine Stufe des Mitgefühls (shefqat), die noch hundertfach strahlender, intensiver und erhabener ist als die Liebe (muhabbet).« In der Tat ist das Mitgefühl in all seinen Arten subtiler und reiner. Was aber Liebe und Leidenschaft betrifft, so sollte man sich für viele ihrer Arten nicht erniedrigen.
Und weiter umfasst das Mitgefühl sehr viele Dinge. Durch das Mitgefühl, das jemand für sein Kind empfindet, umfängt er auch alle Jungtiere, ja überhaupt alles, was da lebt, mit dieser Liebe und zeigt so sich selbst als eine Art Spiegel für die ganze Breite des göttlichen Namens »Rahiem«. Dem entgegen beschränkt die Leidenschaft (ashk) ihren Blick auf den Geliebten (mahbub), opfert alles für ihren Geliebten auf. Oder aber sie erniedrigt andere, verletzt sie innerlich, kränkt sie in ihrer Ehre, nur um den Geliebten (aus den andern) herauszuheben und ihn (über sie hinaus) zu loben. So sagt z.B. jemand: »Die Sonne hat die Schönheit meiner Geliebten geschaut und hat in ihrer Verlegenheit den Wolkenvorhang vor ihr Gesicht gezogen, um sie nicht zu sehen.« Oh, he, Geliebter, edler Herr! Was für ein Recht hast du denn, dass du die Sonne, dieses von Licht erfüllte Blatt mit den acht gewaltigen Namen, so in Verlegenheit bringen willst?
Außerdem ist selbstlose Liebe aufrichtig. Sie erwartet keine Gegenleistung, ist rein und unentgeltlich... ja selbst die Liebe der Tiere zu ihren Jungen ist in ihrer selbstlosen Bereitschaft, sich zu opfern, noch auf dieser so einfachen Stufe ein Beweis dafür. Leidenschaft hingegen wünscht ein Entgelt, verlangt eine Gegenleistung. Tränen der Liebe drücken eine Art von Verlangen aus, betteln um Lohn.
Das also heißt nun, dass die Liebe Jakobs, mit dem der Friede sei, welche das strahlendste Licht der Sure Yusuf, die strahlendste unter den Suren des Qur’an ist, auf die Namen »der Erbarmer, der Allbarmherzige« verweist und erkennen lässt, dass der Weg des Mitleids zugleich der Weg der Barmherzigkeit ist und als ein Mittel gegen diesen Schmerz des Mit-einander-leidens ausrufen lässt:
»Denn Gott ist der beste aller Beschützer und Er ist der Erbarmer, der Allbarmherzige.« (Sure 12, 64)
Said Nursi