Brief | Neunter Brief | 43
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Leidenschaft (ashk) ist heftige Liebe (muhabbet). Richtet sie sich auf einen irdischen Geliebten (mahbub), verursacht sie entweder ihrem Träger beständige Qual und Leid, oder aber sie veranlasst ihn, den ewigen (baqi) Geliebten zu suchen, weil (der irdische) den Preis einer solchen starken Liebe (muhabbet) nicht wert ist. So verwandelt sich vergängliche Liebe (ashk) in wahre Liebe (ashk).

So gibt es denn im Menschen tausenderlei Gefühle. Jedes von ihnen hat wie die Liebe (ashk) zwei Aspekte, einen irdischen (also nur imaginären) und einen wahren (himmlischen). Zum Beispiel: Ein Gefühl der Sorge um die Zukunft gibt es in jedem. Macht sich aber jemand besonders heftige Sorgen, so sieht er, dass er nichts in der Hand hat, um dieser Sorge um seine Zukunft begegnen zu können. Des Weiteren ist es, in Anbetracht dessen, dass für unsere Versorgung ein Unterhalt gegeben und unser Blick in eine Zukunft nur kurz ist, nicht wert, uns darüber so heftig Sorgen zu machen. So wendet er denn sein Gesicht davon ab und statt dessen der Zukunft zu, welche die wahre ist und sich bis weiter hinter dem Grab (ins Unendliche) erstreckt, jedoch nicht die der gottvergessenen ist, denen kein (Unterhalt) zugesichert ist. Des Weiteren zeigt er eine große Begierde um Würde und Besitz... doch sieht er, dass dieser vergängliche Besitz, der ihm nur vorübergehend unter seine Verwaltung gestellt worden ist, dieser fatale Ruhm, seine Würde, die so gefährlich ist und eine Quelle des Hochmuts, einer so heftigen Begierde nach ihr nicht wert ist. So wendet er sich davon ab und den geistigen Ebenen einer wahren Würde zu, den Stufen der Nähe zu Gott, die seine Wegzehrung (auf der Reise) ins Jenseits sind und den guten Werken, die sein wahres Besitztum. Irdisches Streben im Sinne einer schlechten Charaktereigenschaft wandelt sich dadurch in eine echte, wahre Bestrebung um.

Ein anderes Beispiel: In unnachgiebigem Starrsinn vergeudet man seine Gefühle bedeutungslose, flüchtige, vergängliche Dinge. Danach bemerkt er, dass er ein Jahr lang hartnäckig auf einer Sache bestanden hat, die nicht eine Minute einer solchen Verbohrtheit wert gewesen wäre. Und weiter besteht er aus reinem Trotz auf Dingen, die schädlich, giftig sind. Dann bemerkt er, dass ein so starkes Gefühl ihm nicht für solche Dinge gegeben worden war. Es für sie zu vergeuden widerspricht der Weisheit und der Wahrhaftigkeit. So wendet er diese hartnäckige Beharrlichkeit nicht mehr für so nutzlose und flüchtige Dinge auf, sondern für die hohen und ewigen Glaubenswahrheiten, die Prinzipien des Islam und Werke um ewigen Lohn. So verwandelt sich irdische Hartnäckigkeit als primitive Eigenschaft in eine aufrichtige Beharrlichkeit, die eine schöne und erhabene Eigenschaft ist.

kein Ton