Brief | Siebzehnter Brief | 105
(103-107)

Und der König wird wünschen, dass dein Sohn dich wieder sieht. Sicherlich wird er ihn nicht ins Gefängnis schicken, damit ihr euch hier begegnet, sondern dich aus dem Gefängnis holen und ins Schloss bringen lassen, um dich dort mit ihm zusammenzuführen. Das alles aber unter der Bedingung, dass du auf den König vertraust und ihm Gehorsam leistest.«

So wie in diesem Gleichnis, mein lieber Bruder, soll man, wenn einem Gläubigen wie dir, ein Kind stirbt, so denken: »dieses Kind ist unschuldig. Sein Schöpfer ist zudem barmherzig und freigiebig. Er hat ihm, statt meiner mangelhaften Fürsorge und Zärtlichkeit, Seine so vollkommene Gnade und Barmherzigkeit geschenkt und es zu sich genommen. Er hat es aus diesem irdischen Kerker mit seinen Mühen, Sorgen und Plagen herausgeholt und in den Garten Seines Paradieses geführt. Wie glücklich ist doch dieses Kind! Wäre es in dieser Welt geblieben, wer weiß, was aus ihm geworden wäre. Deswegen bedauere ich es nicht, sondern wisse, dass es glücklich ist. Bleibt noch zu sagen, dass – was mich und meinen eigenen Vorteil betrifft – so bedauere ich mich ebenfalls nicht, werde ich nicht traurig und betrübt, denn wäre es in der Welt geblieben, so hätte es mir für zehn Jahre seine vorübergehende, mit Sorgen vermischte kindliche Liebe geschenkt. Wäre es aufrichtig geblieben, begabt für einen weltlichen Beruf, hätte es mir wahrscheinlich geholfen. Doch durch seinen Tod wird es in der Ewigkeit des Paradieses zehn Millionen Jahre eine Quelle kindlicher Liebe sein und als ein Fürsprecher zur ewigen Glückseligkeit dienen. Wer einen augenblicklichen zweifelhaften Vorteil verloren, dafür aber tausend zukünftige, unzweifelhafte Vorteile gewonnen hat, ja, sicher und bestimmt wird derjenige nicht Trauer und Schmerz zeigen, nicht hoffnungslos jammern.

Dritter Punkt: Das verstorbene Kind war Geschöpf, Eigentum, Diener und Anbeter des barmherzigen Schöpfers, war ganz und gar Sein Werk und Ihm gehörig, den Eltern als ein Freund gegeben, der ihnen für kurze Zeit zur Betreuung überantwortet wurde. Vater und Mutter waren ihm zum Dienst bestellt. Den Eltern wurde für ihren Dienst als gegenwärtiger Lohn ein Wohlempfinden bei ihrer Liebe und Güte verliehen. Wenn nun der barmherzige Schöpfer, Herr über 999 Anteile von tausend, es in Seiner Barmherzigkeit und Weisheit für notwendig erachtet, dieses Kind aus deinen Händen zu nehmen und deinen Dienst an ihm zu beenden, ist es für Leute des Glaubens nicht angemessen, mit einem einzigen, scheinbaren Anteil gegen den Herrn der tausend wahrhaftigen Anteile mit deinem Jammern und Weinen zu klagen, vielmehr gleicht dies den Gottvergessenen und denen, die auf Irrwegen gehen.

Vierter Punkt: Wenn die Welt ewig wäre, auch der Mensch ewig darinnen bleiben könnte und auch die Trennung ewig wäre, dann hätten Kummer, Schmerz und hoffnunglose Betrübnis ihren Sinn. Da aber nun einmal diese Welt ein Gasthaus ist, darum werden Sie, werden auch wir dahin gehen, wohin das verstorbene Kind gegangen ist.

kein Ton