Brief | Zwanzigster Brief | 310
(300-352)

Oh Mensch! Weißt du eigentlich, wohin du gehst? Und wohin du geführt wirst? Du gehst in das Land der Barmherzigkeit und in die Gegenwart des majestätischen Schönen (Djemil), dessen Schönheit eine Stunde zu schauen nicht einmal einem tausendjährigen Leben im Paradies gleichkommt, wo eine einzige Stunde im Paradies zu leben aber nicht einmal einem glücklichen Leben von tausend Jahren auf Erden gleichwertig ist, wie bereits am Schluss des

Zweiunddreißigsten Wortes gesagt wurde. Was die Schönheit und Vollkommenheit allen Seins auf Erden und derer, in die ihr verliebt und denen ihr verfallen seid, und nach denen ihr sehnsüchtig verlangt, betrifft, so sind sie eine Art Schatten der Erscheinung Seiner Schönheit und kommen von der Vollkommenheit Seiner Namen. Das ganze Paradies ist mit all seinen Feinheiten eine Erscheinung Seiner Barmherzigkeit. Was all die Arten von Liebe und Begeisterung, Zuneigung (des Schülers) und Anziehungskraft (des Lehrers) betrifft, so sind sie ein Funke Seiner Liebe. Ihr geht zu dem immerwährenden Angebeteten, dem für ewig Geliebten in das Land Seiner Gegenwart. Und ihr werdet eingeladen in das Paradies, wo Sein ewiges Gastmahl ist. Daher sollt ihr durch das Tor des Grabes nicht weinend gehen, sondern in Heiterkeit. Außerdem bringt dieses Wort folgende frohe Botschaft. Es besagt:

Oh ihr Menschen! Ihr sollt euch nicht vorstellen und nicht denken, dass ihr in die Vergänglichkeit, in das Nichts, in die Verlorenheit, in die Finsternis, in die Vergessenheit, in die Verwesung, in die Auflösung, geht, oder in der Vielfalt (der Ursachen) ertrinken werdet! Ihr geht nicht in die Vergänglichkeit (fena), sondern in die Beständigkeit (beqa), werdet nicht in das Nichts, das Fernesein, sondern in die immerwährende Anwesenheit geführt werden, tretet nicht in die Finsternis, sondern in die Welt des Lichtes ein. Ihr seid auf dem Weg zu eurem wahren Besitzer und Eigentümer und kehrt zur Residenz des ewigen Königs zurück. Ihr werdet nicht in der Vielfalt ertrinken, sondern im Lande der Einheit des Allgegenwärtigen wieder aufatmen dürfen. Ihr seid nicht auf Trennung, sondern auf eine Zusammenkunft hin angelegt.

kein Ton