Blitz | Sechsundzwanzigster Blitz | 329
(312-372)

Während dieser dunklen langen Nacht, in dieser betrüblichen Fremde, in diesem betrüblichen Zustand überkam mich eine Art Verzweiflung am Leben. Ich betrachtete meine Schwäche, meine Einsamkeit, gab meine Hoffnung auf. Während ich mich noch in diesem Zustand befand, kam mir die Hilfe aus dem weisen Qur?an. Mein Mund sprach:

»Allah ist mir genug und Er ist der vortrefflichste Anwalt.« (Sure 3, 173)

Und auch mein Herz sagte weinend:

»Ich bin in der Fremde, ohne Verwandte, schwach, kraftlos. Ich flehe um Schutz. Ich bitte um Verzeihung. Ich rufe um Hilfe an Deiner Schwelle, oh Allah!«

Mein Geist dachte auch an die alten Freunde in der Heimat und stellte sich meinen Tod in der Fremde vor und wie Niyazi Misri sagte ich:

»Ich habe die Sorge um weltliche Dinge aufgegeben und

meine Flügel im Nichts gebreitet und

Begeisterung mit jedem Atemzug! ?

fliege ich und rufe aus: Freund! Freund!«

So sagte ich und suchte Freunde. Wie dem auch sei, in dieser langen Nacht in der Fremde, die so voll der Sehnsucht, von Traurigkeit und Klage erfüllt das Herz rührte, wurde meine Hilflosigkeit und Schwäche an der Schwelle des Hauses Gottes zu einem so großen Fürsprecher und Mittler, dass ich noch jetzt darüber erstaunt bin. Denn einige Tage später brach ich völlig unerwarteter Weise und ? obwohl ich kein russisch konnte ? ganz allein zu einer Flucht über eine Entfernung von einem Jahr Fußmarsch auf. Meine Schwäche und Hilflosigkeit rief die Gnade Gottes herbei und so habe ich mich auf wunderbare Weise gerettet. Auf dem Wege über Warschau gelangte ich nach Österreich, kam in Istanbul an. Es ist ein großes Wunder, auf was für eine leichte Art ich mich zu retten vermochte. Obwohl auch die klügsten und tapfersten Männer, selbst wenn sie russisch konnten, nicht ans Ziel gelangten, habe ich doch auf eine ganz leichte und einfache Weise diese meine Reise auf der Flucht zu Ende geführt. Aber der Charakter jener oben erwähnten Nacht in der Moschee am Ufer der Wolga hat in mir den folgenden Entschluss reifen lassen: »Ich werde den Rest meines Lebens in Höhlen verbringen! Ich habe mich um das soziale Leben der Menschen gekümmert und jetzt ist es genug. Da ich nun einmal am Ende einsam ins Grab steigen werde, will ich die Einsamkeit wählen, mich ab heute an die Einsamkeit gewöhnen.« Aber in Istanbul ließen mich meine vielen bedeutenden und wichtigen Freunde und das glanzvolle irdische Leben dort in Istanbul und besonders so nutzlose Dinge wie Ruhm und Ehre, die man mir im Übermaß erwies, diesen meinen Vorsatz vorübergehend vergessen. Als ob diese Nacht in der Fremde das lichtempfindliche Schwarz im Auge meines Lebens gewesen wäre und der weiße, glanzvolle Tag von Istanbul das lichtunempfindliche Weiß im Auge meines Lebens, sodass ich nicht nach vorne schauen konnte, und wieder einschlief, bis dass mir zwei Jahre später Abdulkadir Geylanis Buch »Futuh-ul?Ghayb« (Durchbruch durch das Unsichtbare) erneut die Augen öffnete.

kein Ton