Blitz | Sechsundzwanzigster Blitz | 347
(312-372)

Vor meinen Augen zeigte sich mir damals die Zeit, in der sich, so wohl bebaute fröhliche, bevölkerte und belebte Plätze in Trümmerfelder verwandelt hatten, eine Zeit, wo ich in meinem schönsten Leben mit knapp zwanzig Jahren mit einem Lehrauftrag tätig gewesen war und sie mit meinen ehrenwerten Schülern verbracht hatte, gleich den schönsten Szenen auf einer Leinwand und wurde eine nach der anderen wieder lebendig. Dann starben sie dahin und verschwanden wieder und das ganze setzte sich noch eine Weile vor meinem inneren Auge fort. Damals staunte ich sehr über die Haltung der Weltleute. Auf welche Weise betrügen sie sich? Denn so wie diese Lage nun einmal ist, zeigt sich doch offensichtlich, wie vergänglich die Welt ist und dass die Menschen in ihr nur Gäste sind. Ich sah nun mit eigenen Augen, wie richtig es ist, wenn die Kenner der Wahrheit immer sagen: »Die Welt ist verräterisch, betrügerisch, und schlecht. Von ihr sollt ihr euch nicht täuschen lassen.«

Ich erkannte auch selbst, dass der Mensch, wie er mit seinem Körper und seinem Haus verbunden ist, genauso auch mit seiner Stadt, mit seinem Land, sogar mit seiner Erde verbunden ist. Denn, als ich angesichts meines Körpers voll Mitleids mit mir selbst und über mein Alter mit nur zwei Augen weinte, so wollte ich über meine Medresse, nein, nicht wegen ihres Alters, sondern über ihren Tod mit zehn Augen weinen. Und wegen des Todes der Hälfte meines schönen Heimatlandes muss man und muss ich mit hundert Augen weinen. Es ist eine Hadith überliefert, die sagt: An jedem Morgen ruft ein Engel:

das heißt: »Ihr werdet geboren und kommt zur Welt, um zu sterben; und ihr errichtet Gebäude, damit sie zerstört werden.«

Diese Tatsache habe ich also nicht mit meinen Ohren sondern mit meinen Augen wahrgenommen. Und so wie mich meine damalige Lage in Tränen versetzte, so versetzt auch meine Vorstellung seit zehn Jahren mich in Tränen, wenn sie sich an diese Lage erinnert. Die Zerstörung der Wohnstätte am Fuß jener alten Festung, die Tausende Jahre überlebte, und die Stadt unter ihr, die innerhalb von acht Jahren um achthundert Jahre alterte, und das Sterben meiner Medresse, die am Fuß jener Festung, so lebendig und ein Versammlungsort von Freunden war, veranschaulichen das Sterben aller Medressen im ganzen Osmanischen Reich. Und als Zeichen der geistigen Größe ihrer Leichen wurde die Festung in Van, heraus gehauen aus einem einzigen Felsmassiv, ihr Grabstein. Es war mir, als ob meine verstorbenen Schüler, die vor acht Jahren in dieser Medresse mit mir zusammen gewesen waren, in ihren Gräbern mit mir weinten.

kein Ton