Brief | Dreizehnter Brief | 65
(63-68)

Mein Herr in Seinen Erbarmen und Schöpfer hat mir diese Ungerechtigkeit in Seiner Weisheit in eine Barmherzigkeit umgewandelt. Denn in meiner Isolierung hat Er mir diese heiligen drei Monate ( = Redjeb, Sha’ban, Ramadan), aus denen man den inneren Gewinn eines neunzig jährigen Lebens ziehen kann, umgewandelt und einer ersehnten Rüstzeit gleich auferlegt wie ein willkommenes Einsiedlerdasein. Lobpreis und Dank sei Allah für einen jeglichen Zustand und jede Lage. So also ist mein Wohlergehen und wie ich mich befinde...

Eure zweite Frage: Warum bemühst du dich nicht darum, einen Ausweis zu erhalten?

Antwort: In dieser Angelegenheit wurde ich von der Macht Gottes (qader) gerichtet. Nicht ein weltliches Gericht hat mich verurteilt. Beim Herrn des Schicksals (qader) muss ich vorstellig werden. Erteilt Er mir die Erlaubnis, stellt Er meine Versorgung hier ein, werde ich gehen. Diese Tatsache erklärt sich folgendermaßen:

Für jedes Ereignis, das über einen kommt, gibt es zwei Gründe: der eine ist ein äußerlicher, der andere der wahre. Die Weltleute sind der äußerliche Grund dafür, dass man mich hierher gebracht hat. Was aber die Macht Gottes (qader) betrifft, so ist sie der wahre Grund dafür, dass ich zu dieser Rüstzeit verurteilt worden bin. Die äußere Veranlassung hat mir ein Unrecht getan, was aber den wahren Grund betrifft, so bin ich gerecht behandelt. Äußerlich betrachtet hat man sich gedacht: »Dieser Mann setzt sich bis zum Äußersten für die Wissenschaft und den Glauben ein. Vielleicht mischt er sich noch in unsere weltlichen Angelegenheiten ein.« Auf Grund dieser Vermutung hat man mich verbannt und mir in dreifacher Hinsicht ein Unrecht getan. Doch die Macht Gottes hat gesehen, dass ich nicht in Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit der Wissenschaft und dem Glauben diene und mich um meinetwillen zu dieser Verbannung verurteilt. Sie hat ihr vielfaches Unrecht in hundertfältiges Erbarmen umgewandelt.

Da also nun einmal die Konsequenz (qader) in meiner Verbannung der Richter ist und das Schicksal (qader) gerecht ist, muss ich bei ihm vorstellig werden. Was aber den äußeren Grund betrifft, so ist er in der Tat eine Sache von der Art eines Vorwandes. Das heißt also, dass bei ihnen vorstellig zu werden, sinnlos wäre. Wären sie im Recht, oder hätten sie einen zutreffenden Grund zur Hand, dann könnte ich auch bei ihnen vorstellig werden. Obwohl ich ihre Welt vollständig aufgegeben habe und mich von ihrer Politik ganz und gar abgewandt habe, erfinden sie dennoch Einwände, Ausreden und Verdächtigungen, die ganz gewiss grundlos sind, weshalb ich um nichts weiter bei ihnen nachfragen möchte, um ihren Verdächtigungen nicht einen Anstrich von Wahrheit zu verleihen. Hätte ich dazu Lust verspürt, mich in weltliche Politik einzumischen, deren Fäden in den Händen der Fremden zusammenlaufen, würde es keine acht Jahre, ja vielleicht nicht einmal acht Stunden dauern, bis das durchsickern und sich selbst verraten würde. Doch habe ich seit acht Jahren nicht mehr den Wunsch gehabt, eine Zeitung zu lesen und habe auch keine gelesen. Ich stehe hier schon seit vier Jahren unter Kuratel und nicht ein Tröpfchen ist durchgesickert und hat sich verraten.

kein Ton