Brief | Fünfzehnter Brief | 73
(70-82)

Kurz gesagt: Wie sehr sich der Mensch auch bemüht auszuwählen, so bleibt doch der göttliche Wille grundlegend, die göttliche Vorausschau entscheidend, entsprechend der Ayah

»Doch du kannst das nicht wollen, so nicht Gott es will.« (Sure 76, 30)

Der göttliche Wille gibt den menschlichen Willen zurück. Er bestätigt den Ausspruch:

»Wenn die göttliche Vorausschau spricht, schweigt der menschliche Wille.«

Zur Auslegung deiner zweiten Frage: Welches war die Natur der Kriege, die zur Zeit von Hasret Ali, mit dem Gott zufrieden sein möge, begannen? Wie können wir diejenigen beschreiben, die in einem solchen Krieg gefallen sind und diejenigen, die daran teilgenommen und getötet haben?

Antwort: Der Kampf, zwischen Hasret Ali und Talha, Hasret Subeyr und Aischa, der Wahrhaftigen (möge der Höchste Gott mit ihnen allen zufrieden sein), den man als die Kamelschlacht bezeichnet, war ein Ringen zwischen der Reinen Gerechtigkeit und einer relativen Gerechtigkeit. Es ist dies wie folgt:

Hasret Ali betrachtete die absolute Gerechtigkeit als grundlegend und focht wie in der Zeit der beiden Scheiche vor ihm entsprechend diesem Grundsatz von der absoluten Gerechtigkeit. Was aber seine Gegner betrifft, so sagten sie: In der Zeit dieser beiden Kalifen erlaubte die Reinheit des Islam noch die Reinheit der Gerechtigkeit. Doch mit dem Fortschreiten der Zeit wurde es sehr schwierig noch diese absolute Gerechtigkeit walten zu lassen, weil nun verschiedene Völker der islamischen Gemeinschaft (Islamiyet) beitraten, die noch im islamischen sozialen Leben schwach waren, weshalb nun ein relatives sogenanntes Recht des »geringeren Übels« angewandt werden musste. Um diesen Streit über Rechtsauslegung in die Politik einzuführen, wurde sogar ein Krieg geführt. Weil aber nun die Auslegung rein um Gottes willen und zum Wohle des Islam erfolgt war und der Streit nun aber über der Auslegung des Gesetzes entbrannt war, können wir sicherlich sagen, dass sowohl die, welche töteten, als auch die, welche getötet wurden, Gefährten des Paradieses und auch beide Empfänger ihres Lohnes geworden sind. Wie richtig auch immer Hasret Alis Auslegung (idjtihad) und wie falsch auch immer seine Gegner gelegen haben mögen, so haben sie dennoch keine Strafe dafür verdient, denn wer mit seiner Auslegung die Wahrheit findet, erwirbt zwei Verdienste; wer sie nicht findet, hat doch einen Verdienst, nämlich das Verdienst für seine Auslegung, was auch eine Art Gottesdienst ist. Sein Irrtum wird ihm vergeben. Bei uns zuhause hat ein sehr berühmter Mann in bestem Kurdisch gesagt und dabei die Wahrheit gesprochen:

kein Ton