Brief | Vierundzwanzigster Brief | 399
(391-425)

Erste Anmerkung: Da nun einmal die Wahrheit (haqq) und Wirklichkeit Gottes besteht, bestehen alle Dinge (d.h. die Existenz der Dinge ist von der Existenz Gottes abgeleitet – A.d.Ü.). Da nun einmal eine Verbindung mit dem Herrn besteht, der da notwendigerweise (vadjib) sein (vudjud) muss, sind alle Dinge für jedes Ding. Denn durch seine Verbindung mit dem, der da notwendigerweise sein muss, erhält eine jede Existenz im Geheimnis der Einheit (vahdet) ihre Verbundenheit mit allen Existenzen. Das heißt, dass jede Existenz, die um ihre (eigene) Verbindung weiß oder diese Verbindung (der unbelebten Natur) kennt, mit dem, der da notwendigerweise sein muss, auch im Geheimnis dieser Einheit mit allen Existenzen in Verbindung kommt, die dem Notwendig-Seienden zugehörig sind.

Das heißt: jedes Ding kann hinsichtlich dieser Beziehung (wie ein Brennpunkt) zahllose Lichter (Verbindungen) der Existenzen empfangen. Trennung oder Untergang gibt es in dieser Hinsicht (d.h. in diesem Brennpunkt) nicht. Ein Augenblick des Lebens ist Quelle zahlloser Lichter der Existenzen (d.h. der Verbindung mit ihnen). Gäbe es diese Beziehung und dieses Wissen um sie nicht, entstünde (statt ihrer) zahllose Trennung, Untergang und Nicht-mehr-sein. Denn an die Stelle einer möglichen Verbundenheit mit allen Existenzen tritt nun Trennung, Abschied und Untergang. Das heißt, dass die eigene Existenz zahllose Male mit Nicht-mehr-sein und Trennung belastet wird. Blieben auch eine Million Jahre einer solchen Existenz (ohne jede Beziehung), so könnte sie dennoch nicht einem Augenblick eines Lebens gleich sein, das man vom obigen Standpunkt aus betrachtet. Deshalb haben die Leute der Wahrheit gesagt: »Ein einziger Augenblick lichtvoller Existenz ist einer Existenz von einer Million Jahren ohne ein Fortleben vorzuziehen.« das heißt: »Ein einziger Augenblick des Lebens verbunden mit dem Notwenig-Seienden ist einem beziehungslosen Leben von einer Million Jahren vorzuziehen.« Ebenso haben die Forscher (tahqiq) auf Grund dieses Geheimnisses gesagt: »Die Lichter des Seins bestehen in der Kenntnis des Notwendig-Seienden.« Das heißt: »In diesem Zustand (hal) sieht man in den Lichtern der Existenzen die ganze Welt erfüllt von Engeln, Geistern und Bewusstsein tragenden Wesen. Ohne sie umhüllt eine jede Existenz die Finsternis des Nicht-mehr-seins, des Leidens, der Trennung und des Untergangs. Die Welt erscheint vor den Augen eines solchen Menschen in der Gestalt einer leeren, verlassenen Einöde.« Es ist in der Tat so, dass jede Frucht eines Baumes mit jeder anderen Frucht an diesem Baum in Verbindung steht. In dieser Verbindung gibt es für sie Freunde und Geschwister, die ihr entsprechend ihrer Zahl ebenso viele weitere Existenzen verleihen. In dem Augenblick, da man diese Frucht vom Baume löst, wird ihr Untergang und Trennung von jeder anderen Frucht. Darum ist jede andere Frucht für sie wie nicht mehr vorhanden. Daraus erwächst ihr eine äußerliche Finsternis eines Nicht-mehr-seins. Ebenso gibt es für jedes Ding, hinsichtlich seiner Verbundenheit mit der Macht des Einen und Einzigartigen (ahad-i samad) auch alle die anderen Dinge. Gäbe es diese Verbundenheit nicht, bestünde für jedes Ding äußerlich ein Nicht-mehr-sein, so zahlreich wie alle die anderen Dinge.

kein Ton