Brief | Sechzehnter Brief | 101
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Eine solche Regierung, die aus derartigen Leuten zusammengesetzt ist und solche Beamten beschäftigt, überhaupt noch eine Regierung nennen zu wollen, sie als Meldebehörde anzuerkennen und dort vorstellig zu werden, widerspricht dem gesunden Menschenverstand, ist eine fruchtlose Erniedrigung. Der Alte Said hätte mit (dem französischen Dichter) André dazu gesagt:

»Wasser des Lebens in Erniedrigung ist wie die Hölle; Hölle in Ehren ist ein Ort, stolz darauf zu sein.«

Es gibt den Alten Said nicht mehr. Der Neue Said aber hält es für sinnlos, mit den Weltleuten Umgang zu pflegen. Möge ihre Welt sie den Kopf kosten! Mögen sie mit mir machen, was sie wollen! Am Tag des Großen Gerichtes wird er mit ihnen vor den Richter kommen, sagt er und schweigt.

Der Verweigerung, meine Anmeldung vornehmen zu lassen, achter Grund: Entsprechend dem Grundsatz: »Die Folge gesetzloser Liebe ist gnadenloser Hass.« wird die Allmacht (Qader) Gottes in ihrer Gerechtigkeit mich durch die ungerechte Hand dieser Weltleute bestrafen, wenn ich ihnen meine Sympathie erweise, obwohl sie derer doch gar nicht würdig sind. So denke ich denn, dass ich diese Strafe verdient habe und schweige. Denn als ich während des Ersten Weltkrieges Kommandeur eines Freiwilligenregimentes war, habe ich mich zwei Jahre lang eingesetzt und gekämpft. Ich habe unter dem Befehl vom Enver Pascha und seinem Obersten Kommandanten wertvolle Schüler und Freunde geopfert. Ich wurde verwundet und gefangen. Nach meiner Entlassung aus der Gefangenschft habe ich mich durch meine »Sechs Schritte (Hutuvat-i Sitte)« und andere, ähnliche Werke in Gefahr gebracht und zu der Zeit, als die Engländer Istanbul besetzt hielten, die Engländer vor den Kopf gestoßen. So habe ich damals denen, die mich heute schikanieren und grundlos gefangen halten, Hilfe geleistet. So lohnen sie mir heute diese meine Hilfe auf diese ihre Weise. All die Strapazen und Schwierigkeiten unter denen ich in russischer Gefangenschaft drei Jahre lang gelitten, haben mit hier meine »Freunde« in drei Monaten zugefügt. Denn die Russen haben mir damals, als ich noch Kommandant eines kurdischen Freicorps war und obwohl sie mich als Kosakenmörder und Gefangenenschlächter betrachteten, nicht verboten, Unterricht abzuhalten. So habe ich damals den meisten der neunzig Offiziere, die meine Kriegskameraden waren, Unterricht erteilt. Einmal kam auch der russische Kommandant und hörte mit zu. Weil er kein türkisch verstand, glaubte er, ich gäbe politischen Unterricht. So verbot er mir dies zunächst, erteilte mir aber später doch wieder die Erlaubnis. Auch haben wir noch im selben Winter einen Raum als Moschee hergerichtet. Ich habe dort als Imam gedient. Man hat uns nicht dabei gestört. Man hat Besuche mir nicht untersagt. Eine Nachrichtensperre gab es nicht. Doch meine heutigen »Freunde«, obwohl sie doch meine Landsleute und Mitgläubigen sind und Männer, denen im Glauben einen Dienst zu erweisen ich mich bemühe und die doch wissen, dass ich mich nicht für Politik interessiere und um weltliche Angelegenheiten nicht kümmere, haben mich nicht nur drei, nein sechs Jahre lang gefangen gehalten, mich grundlos schikaniert und mir jeden Umgang verboten.

kein Ton