Brief | Sechzehnter Brief | 100
(83-102)

Wenn dies aber so ist, dann hieße, bei ihnen vorstellig zu werden, sich mit Bedauern vom Glauben (din) abzuwenden und statt seiner dem Atheismus in die Arme zu werfen. Wollte ich aber bei ihnen vorstellig und kniefällig werden, so würde mich dennoch die Allmacht (Qader) Gottes in ihrer Gerechtigkeit durch ihre eigene Hand bestrafen. Denn sie schikanieren mich ja, weil ich ein im Glauben (diyanet) gebundener Mensch bin. Denn nach (Gottes) Bestimmung (Qader) werde ich gepeinigt, weil mein religiöses Leben (diyanet) und meine Aufrichtigkeit (ihlas) fehlerhaft sind und ich ab und zu einmal versucht habe, mich bei Weltleuten beliebt zu machen. Wenn dies aber so ist, dann gibt es hier und jetzt keine Rettung vor dieser Pein. Wollte ich aber bei diesen Weltleuten vorstellig werden, so sagte mir Gottes Bestimmung (Qader): »Du Heuchler! Verkoste nun die Strafe dafür, dass du dich zu ihnen hin gewandt hast!« Wenn ich mich aber ihnen nicht zuwende, dann sagen die Weltleute: »Du willst uns nicht kennen. Nun denn, so lass es und plage dich weiter!«

Siebenter Grund: Es ist bekannt, dass die Aufgabe eines Beamten darin besteht, denjenigen, welche gesellschaftlichen Schaden zufügen, keinen Platz einzuräumen und denen, welche ihm dienen, Hilfe zu gewähren. Dennoch kam jener Beamte, bei dem ich unter Kuratel gestellt wurde, während ich einmal einem alten Mann, der als Gast zu mir gekommen war und schon am Rande des Grabes stand, die Süße des Geheimnisses (latif) darbot, das der Glaube (iman) im »La ilaha illa’llah (Niemand und nichts ist anbetungs- und verehrungswürdig außer Gott allein)« in sich enthält, trotzdem er lange Zeit nicht mehr bei mir gewesen war, zu mir, so als habe er mich gerade eben auf frischer Tat ertappt und als ob ich ein Verbrechen begangen hätte. Er hat diesen armen alten Mann, der mir aufrichtig (ihlas) zuhörte, frustriert und leer ausgehen lassen und mich selbst auch noch in Wut gebracht. Dabei gab es hier noch einige andere Leute, denen er gar keine Beachtung schenkte. Als es schließlich so weit kann, dass sie in ihrer Sittenlosigkeit im gesellschaftlichen Leben des Dorfes ihr Gift verstreuten, hat er auch noch begonnen, ihnen seine Sympathie und seine Anerkennung zu bezeigen. Dabei ist doch allgemein bekannt, dass ein Mann, und säße er auch für hundert Verbrechen im Kerker, jederzeit mit den Wache habenden Beamten sprechen kann, seien sie nun Offiziere oder einfache Soldaten. Doch schon seit einem Jahr gehen sowohl der Befehlshaber als auch der wachhabende Beamte von der Nationalregierung, also zwei hohe Persönlichkeiten, jedes Mal an meiner Zelle vorüber, ohne sich auch nur im geringsten um mich zu kümmern oder gar nach mir zu erkundigen. Ich hatte zunächst einmal vermutet, das läge vielleicht daran, dass sie mir feindlich gesinnt sind. Später wurde mir dann klar, dass sie in ihrem Wahn vor mir davon laufen, als wollte ich sie verschlingen.

kein Ton