Brief | Neunundzwanzigster Brief | 557
(528-621)

Als ich die Welt der Tiere erblickte, zeigte sich mir die grenzenlose Bedürftigkeit und der so große Hunger der Tiere, zugleich mit ihrer Schwäche und Hilflosigkeit als eine besonders finstere und leidvolle Welt. Plötzlich ging der Name des Erbarmers (er-Rahman) einer strahlenden Sonne gleich über dem Sternzeichen (d.h. in der Bedeutung) des Versorgers (er-Rezzaq) auf und vergoldete diese Welt von oben bis unten mit dem Lichte des Erbarmens.

Danach sah ich innerhalb der Welt der Tiere noch eine andere düstere Welt, in der ihre schwach, hilflos und bedürftig darin zappelnden Nachkommen und ihre Jungtiere mit ihrem Schmerz jeden zu Bedauern und Mitgefühl bewegen. Plötzlich ging der Name »Barmherziger« (Rahiem) über dem Sternbild der Liebe (Schefkat) auf. Da verwandelte sich diese so bittere Welt auf eine so schöne und liebliche Weise in eine freundliche Welt, wurde von Licht überstrahlt und die Tränen meiner Klage, Bitternis und Trauer wurden in Freudentränen voller Begeisterung und Dankbarkeit verwandelt.

Danach öffnete sich mir wie eine Kinoleinwand ein weiterer Vorhang und die Welt der Menschen zeigte sich mir. Diese Welt war so finster und schrecklich, dass ich vor Schreck aufschrie. »Oh weh!« rief ich, denn ich sah, dass die Wünsche und Hoffnungen der Menschen auf eine Ewigkeit hin ausgerichtet sind, dass ihre Vorstellungen und Gedanken das ganze Weltall umfassen, und wie sehr ihre Strebungen und natürlichen Antriebe das ewig Bleibende und die Ewige Glückseligkeit des Paradieses ersehnen. Seine natürlichen Fähigkeiten kennen keine Grenze und können sich frei entfalten. Doch trotz aller auf ungezählte Ziele gerichteten Bedürfnisse, aller Schwäche und Hilflosigkeit sind sie zahllosen Unglücksfällen und Leiden ausgesetzt; von Feinden verfolgt ist ihr Leben außerordentlich kurz. Sie leben ein verwirrendes und hektisches Leben mit ungesichertem Unterhalt. Sie leiden in ihrem Herzen und mit allen Sinnen ständig unter den Übeln des Abschieds und der Vergänglichkeit, verbunden mit einem Höchstmaß an Leid und Angst. Denn das Leben der Gottvergessenen Iäuft auf Grab und Friedhof hinaus, was ihnen wie die Pforte zu ewiger Finsternis erscheint. Sie wurden einer nach dem anderen, scharenweise in diese finstere Grube hinuntergeworfen. Doch siehe, in diesem Augenblick, da ich diese Welt der Menschen in dieser Finsternis geschaut hatte, Herz, Sinn, Verstand und alle meine menschlichen Sinne, ja jede Faser meines Körpers aufschreien wollte und zu weinen begann, ging plötzlich der Name Gottes, des Wahrhaftigen und Gerechten über dem Sternbild der Weisheit, der Name des Erbarmers über dem Sternbild der Freigiebigkeit, der Name des Barmherzigen über dem Sternbild der Verzeihung, der Name des Verlebendigers (baith) über dem Sternbild des Nachlassverwalters (Varith), der Name des Lebenspenders (Muhyi) über dem Sternbild des Wohltäters (Muhsin), der Name des Herrn (Rab) über dem Sternbild des Eigentümers (Malik) auf; und jeder einzelne Name erstrahlte, wobei hier jedes Sternbild die Bedeutung des Namens angibt.

kein Ton