Brief | Neunundzwanzigster Brief | 614
(528-621)

Doch diese abgebildeten Sonnen sind im Vergleich zu der wahren Sonne nur sehr schwach. In gleicher Weise haben die Stufen der Propheten und die Stufen der großen Gottesfreunde ihre dunklen und ihre zwielichtigen Seiten. Die Leute auf ihrer spirituellen Reise treten in diese ein und sehen sich selbst als noch gewaltiger als diese gewaltigen Heiligen, ja glauben, inzwischen schon weiter fortgeschritten zu sein als die Propheten und fallen so in einen Abgrund. Um jedoch zu vermeiden, an all diesen oben angeführten Abgründen zu Schaden zu kommen, muss man die Grundsätze des Glaubens und die Fundamente der Schari’ah stets zur Richtschnur und Basis wählen und sich immer das, was bezeugt wurde und seine Freuden als dem entgegengesetzt vorstellen.

Siebentens: Einige Leute der meditativen Wahrnehmung und der Ekstase ziehen auf ihrer geistigen Reise Stolz, Hochnäsigkeit, übertriebene Ansprüche, die Zuneigung der Menschen und (den Wunsch, ihr) Mittelpunkt zu sein, der Dankbarkeit, dem inständigen Flehen und inbrünstigen Bitten und der bescheidenen Zurückhaltung vor den Menschen vor und stürzen so in den Abgrund. Wohingegen der höchste Grad doch der des Mohammedanischen Dienstes und seiner Anbetung ist, den man (den Grad) des Geliebten Gottes (Mahbubiyet) nennt. Was aber diesen Dienst, diese Anbetung betrifft, so ist ihre tiefste, geheime Absicht, die Manifestation der Vollendung dieser Wahrheit durch inständiges Bitten, Dankbarkeit, inbrünstiges Flehen, Ehrfurcht, Schwäche, Armseligkeit und eine bescheidene Zurückhaltung vor den Menschen zu erlangen. Einige der großen Gottesfreunde sind unabsichtlich und wenn auch nur vorübergehend stolz, hochnäsig und übertrieben in ihren Ansprüchen geworden. Aber in diesem Punkt darf man ihnen nicht in voller Absicht folgen. Sie sind rechtgeleitet, doch selbst keine Führer; und so darf man ihnen nicht nachfolgen!

Der achte Abgrund: Einige unter denen, die auf ihrer spirituellen Reise sind, selbstsüchtig und voreilig, wollen die Früchte der Gottesfreundschaft, die sie doch erst im Jenseits pflücken sollten, schon in dieser Welt genießen und fallen so in einen Abgrund, indem sie (nach diesen Früchten schon) während ihrer spirituellen Reise suchen. Doch:

»Doch das Leben in dieser Welt gleicht einer berauschenden Leihgabe.« (Sure 3, 185)

Durch dergleichen Ayat, und wie bereits in vielen Worten (Sözler) zuverlässig bewiesen wurde, ist eine einzige Frucht aus der beständigen Welt tausend Gärten dieser vergänglichen Welt vorzuziehen. Aus diesem Grund sollten solche gesegneten Früchte nicht schon hier verzehrt werden. Werden sie hier unverlangt zu essen angeboten, sollte man dafür danken und sie als eine göttliche Gnadengabe betrachten, nicht als eine Belohnung, sondern als eine Ermunterung.

kein Ton