Brief | Vierundzwanzigster Brief | 394
(391-425)

Oh du gottvergessener Mensch, der du dich beklagst, ohne ein Recht dazu zu haben, gierig bist und nie genug bekommst, verschwendest ohne Maß zu halten! Wisse und sei dir dessen sicher, dass Bescheidenheit auch eine Form der Dankbarkeit ist, die ihren Lohn in sich enthält, während die Gier eine Form der Undankbarkeit ist, die dich zugleich noch zum Verlierer macht, dass Mäßigung eine schöne und lohnende Weise ist, ein Geschenk in Ehren zu halten, während Verschwendung eine hässliche und nachteilige Weise ist, ein Geschenk zu missachten. Hättest du Verstand, würdest du dich um Bescheidenheit bemühen und nach der Zufriedenheit streben. Wenn dir die Dinge unerträglich vorkommen, so sage: »Ya Sabur (Oh Du, der Geduld schenkt)!« und bitte so um Geduld, sei zufrieden mit deinem Anteil und beklage dich nicht! Bedenke, wen du hier anklagst und vor wem, und schweig still! Wenn du dich aber nun schon beklagen willst, dann klage deine Seele (nefs) vor Gott dem Gerechten an, denn der Fehler liegt bei ihr.

Zweiter Hinweis: Wie bereits am Ende des letzten Abschnitts des Achtzehnten Briefes erwähnt wurde, ist der Sinn (hikmet) dessen, dass der Schöpfer in Seiner Majestät, wenn Er Sein Herrscheramt auf eine so erstaunliche und zugleich Furcht erregende Weise versieht, Seine Schöpfung ständig verwandelt und wieder erneuert, der folgende: Bekanntermaßen erwachsen alle die Aktivitäten und Bewegungen der Geschöpfe entweder aus Bedürfnissen, oder Instinkten, oder aus Liebe (muhabbet) oder einer Freude. Ja man kann sogar sagen: Jede Art von Tätigkeit enthält in sich eine Art von Freude. Ja jede Art etwas zu tun, ist zugleich auch eine Art sich zu freuen und zu genießen. Und diese Freude, dieser Genuss ist wiederum auf Vollendung (kemal) hin ausgerichtet, ja in sich bereits eine Stufe der Vollendung (kemal). Da aber nun einmal eine Tätigkeit auf ihre Vollendung hinweist, auf die Schönheit, die in ihr liegt, hindeutet, ein Ausdruck der Freude und Hinweis auf ihren Genuss ist, und da nun einmal Gott, in der Notwendigkeit Seines Seins, in Seiner absoluten Vollendung, in Seiner majestätischen Vollkommenheit, in Seinem Wesen, in Seinen Attributen, in Seinen Handlungen alle Arten der Vollendung in sich vereint, hat dieses Wesen, in der Notwendigkeit Seines Seins entsprechend der Notwendigkeit Seines Seins und Seiner Heiligkeit und gemäß dem Reichtum Seines Wesens nach innen und der Vollendung Seines Reichtums nach außen und bezüglich Seiner absoluten Vollendung und Seiner wesensgemäßen Reinheit eine unendlich heilige Liebe (shefqat), eine grenzenlose, einmalige und unvergleichliche Liebe (muhabbet).

kein Ton