Brief | Sechsundzwanzigster Brief | 448
(427-475)

Hier noch ein bemerkenswerter Umstand: Obwohl das Volk der Türken unter den islamischen Völkern das am weitesten (d.h. über halb Asien – A.d.Ü.) verbreitete ist, sind doch Türken an allen Enden der Erde Muslime. Sie sind nicht so wie die anderen Völker in Muslime und Nichtmuslime unterschieden und aufgeteilt in zwei Gruppen. Wo immer ein türkischer Volksstamm lebt, sind es Muslime. Türken, die aus der islamischen Gemeinschaft ausgetreten oder nicht Muslime geworden sind, sind damit gleichzeitig auch aus der Gemeinschaft der Turkvölker ausgeschieden, wie z.B. die Ungarn. Dabei leben doch selbst unter den kleinen Volksgemeinschaften Muslime und Nichtmuslime.

Oh mein türkischer Bruder! Achte ganz besonders darauf! Bei dir sind Milliyet und Islamiyet eine Einheit miteinander eingegangen und können nicht mehr voneinander getrennt werden. Willst du sie voneinander trennen, gehst du unter! Alle deine ruhmreichen Taten sind in das Buch dieser Islamiyet eingegangen. Obwohl diese ruhmreichen Taten durch keine Macht der Welt ausgelöscht werden können, sollst du sie doch auch nicht durch die Listen und Einflüsterungen des Teufels aus deinem Herzen löschen!..

Fünftes Thema: In Asien sind die Völker erwacht, halten am nationalen Gedanken fest und ahmen Europa in jeder Hinsicht haargenau nach, ja verhalten sich dabei so, dass sie auf diese Weise selbst die ihnen heiligen Ideale zum Opfer bringen. Dabei trägt ein jedes Volk seinen besonderen Umständen entsprechend ein unterschiedliches Gewand. Und wenn auch der Stoff dabei der gleiche wäre, muss doch der Stil notwendigerweise immer wieder anders ausfallen. Eine Frau kann nicht die Uniform eines Polizisten anziehen, sowie man auch einem alten Hoca nicht das Kleid einer Tangotänzerin anziehen würde. »Blinde Nachahmung gerät leicht zur Maskerade.« Denn:

Erstens: Gleicht Europa einer Handelsniederlassung oder einem Heerlager, so Asien einem Acker oder einer Moschee. Kann ein Kaufherr (am Abend) einen Ball besuchen, ein Bauer kann es nicht. Die Atmosphäre in einem Heerlager kann nicht gleich sein der Atmosphäre in einer Moschee.

Zudem ist (die Tatsache, dass) die meisten Propheten (alter Zeit) in Asien erschienen sind, während die Mehrzahl der Philosophen (neuerer Zeit) aus Europa kamen, ein Zeichen, ein Hinweis urewigen Vorauswissens (qader), dass es der Glaube und das Herz sein werden, die den Völkern Asiens ein geistiges Erwachen schenken, eine innere Entwicklung bringen, eine eigenverantwortliche Regierung lehren werden. Was aber ihre (alte) Philosophie und Weisheit betrifft, so sollen sie dem Glauben und dem Herzen helfen und nicht sie ersetzen.

Zweitens: Den islamischen Glauben mit dem christlichen Glauben zu vergleichen und dann ebenfalls dem Glauben gegenüber abständig zu werden, so wie das in Europa bereits geschehen, ist ein sehr großer Fehler.

kein Ton