Brief | Sechsundzwanzigster Brief | 449
(427-475)

Denn Europa hat zunächst einmal seine beherrschende Religion. So zeigen vor allem die Großen Europas wie Wilson, Lord George oder Veniselos, (in deren Leben) die Religion eine ebenso beherrschende Rolle spielt wie bei ihren Priestern: Europa hat seine beherrschende Religion und praktiziert sie auch in gewisser Weise.

Drittens: Ein Vergleich zwischen dem muslimischen Glauben und dem christlichen ist ein unpassender Vergleich. Dieser Vergleich ist einfach falsch. Denn zu einer Zeit, in der Europa noch zutiefst religiös war, da kannte es noch kaum eine Zivilisation. Erst nach (der Reformation und) dem Bruch mit dem (katholischen) Glauben begann die (moderne) Zivilisation.

Überdies verursachte der Glaube (von der Reformation 1517 bis zur Revolution 1789 – A.d.Ü.) jahrhundertelange Kämpfe zwischen (den Nationen). Er wurde zu einem Mittel in der Hand der ungerechten Tyrannen, welche die Ungebildeten, die Armen wie die Gebildeten (in gleicher Weise) unterdrückten, woraus bei ihnen allen vorübergehend ein Unwille gegenüber dem Glauben erwuchs. Was aber den Islam betrifft, so bezeugt die Geschichte, dass er außer einer einmaligen (bewaffneten) Auseinandersetzung niemals Ursache (eines Krieges zwischen islamischen Nationen) war. Wann immer also das islamische Volk ernsthaft seinem Glauben anhing, machte es auch dementsprechend große (zivilisatorische) Fortschritte. Dafür ist der größte Lehrer Europas, der islamische Staat in Andalusien Zeuge.

Und wann immer die islamische Gemeinde in einen Zustand der Gleichgültigkeit gegenüber ihrem Glauben verfiel, so stürzte sie auch in einen Zustand des Elends und des Verfalls.

Zudem hat der Islam durch die Verpflichtung zum Sekat und das Zinsverbot und Tausender ähnlicher Gebote der Barmherzigkeit (shefqat) die Armen und Ungebildeten beschützt.

»Haben sie denn keinen Verstand?« (Sure 36, 68) »Wollen sie denn nicht nachdenken?« (Sure 6, 50) »Wollen sie denn nicht aufmerken?« (Sure 4, 82)

Mit diesen und ähnlichen Worten ruft (der Qur’an) Verstand und Wissenschaft als Zeugen an, ermahnt (die Gläubigen), beschützt ihre Wissenschaftler. Auf diese Weise war der Islam stets eine feste Burg und ein Zufluchtsort für die Armen und (zugleich auch Hort der Bildung für die) Leute der Wissenschaft. Darum gibt es auch keinen Grund zum Unmut gegenüber dem Islam.

kein Ton