Brief | Sechsundzwanzigster Brief | 471
(427-475)

Ihre Scheychs konnte man wegen ihrer Fehler entschuldigen, wenn sie in Ekstase waren. Was aber sie selbst betrifft, so sind sie nicht zu entschuldigen. Was (darüber hinaus) eine gemäßigte Richtung betrifft, so leugnet sie nicht die Heiligkeit der Gottesfreunde, erkennt aber den Weg (den sie eingeschlagen haben) und ihre Schulen (meslek) nicht an. Sie sagen: »Soweit ihre Aussagen den Grundsätzen (des Glaubens) widersprechen, so befanden sie sich entweder, von ihrem ekstatischen Zustand (hal) übermannt, in einem Irrtum, oder aber es handelte sich dabei um metaphorische Umschreibungen, deren Bedeutung unbekannt ist.« Leider hat die erste Gruppe und unter ihnen, besonders die der Gelehrten unter den Anhängern, einer oft allzu wörtlichen Schriftauslegung, um die Schule der Anhänger der Sunnah in Schutz zu nehmen, viele bedeutende Gottesfreunde verleugnet, ja sich geradezu gezwungen gesehen, sie der Irreführung zu beschuldigen. Was aber Anhänger und Nachfolger betrifft, welche die zweite Gruppe bilden, so hat sie den wahren Weg (meslek) verlassen, weil sie ihren verschiedenen Scheychs gegenüber eine viel zu gute Meinung hatten, und waren einer Art Reformation, ja geradezu einem Irrweg verfallen. Es gab da in Verbindung mit diesem Geheimnis einen Zustand (hal), der mich in meinen Gedanken und Überlegungen sehr lange Zeit beschäftigt hat: Ich habe einmal einen Teil dieser Leute des Irrweges in einer Zeit heiliger Gebete geradezu verflucht. Da trat meinem Fluch eine gewaltige innere Kraft entgegen. Sie gab mir nicht nur mein Gebet wieder zurück, sie untersagte es mir sogar. Danach erkannte ich: Dieser Teil der Leute des Irrweges, welcher der Wahrheit (des Islam) entgegen arbeitet, zieht das Volk, von einer geistigen Kraft unterstützt, mit sich mit. Und hatte dabei Erfolg. Nicht allein (nur infolge der äußeren) Gewalt, vielmehr verbunden mit jener Sehnsucht, die aus der Kraft der Heiligkeit erwächst, sieht ein Teil der Leute des Glaubens, von eben dieser Sehnsucht getrieben stillschweigend darüber hinweg und hält (das Ganze am Ende) gar nicht mehr für so schlecht. Da ich also nunmehr dieser beiden Geheimnisse gewahr wurde, ergriff mich Furcht. »Gepriesen sei Gott!«, sagte ich. »Kann es denn Heiligkeit geben, außer auf dem Weg der Wahrheit? Besonders aber auf diesem fürchterlichen Strom des Irrtums, können denn da die Leute der Wahrheit vorankommen?« Dann wiederholte ich nach islamischem Brauch an dem gesegneten Arefe-Tag die Sure-i Ichlas und rezitierte sie hundert Mal. So gesegnet stellte sich die später durch Gottes Barmherzigkeit zusammen mit der folgenden Tatsache als »Antwort auf eine wichtige Frage« niedergeschriebene Fragestellung in meinem armen Herzen ein. Und die Wahrheit ist folgende: Zu Zeiten Sultan Mehmeds des Eroberers erzählte man sich die berühmte und lehrreiche Geschichte von »Cibali Baba«. Ähnlich wie er gibt es unter den Gottesfreunden einige, die äußerlich besonnen und vernünftig erscheinen und trunken sind in Gott.

kein Ton