Brief | Sechsundzwanzigster Brief | 468
(427-475)

Achte Fragestellung

Eine Anmerkung zum Dritten Beispiel des Dritten Punktes des Fünften Hindernisses der Hindernisse zur persönlichen Meinungsfindung im Siebenundzwanzigsten Wort.

Eine wichtige Frage: Einige von den Erforschern der Wahrheit sagen: Jedes der Worte im Qur’an, Dhikr und Lobpreisungen (tesbih) erleuchten die feinen inneren Organe (Latife) des Menschen in vielerlei Hinsicht und versorgen sie mit geistiger Nahrung. Kennt man nicht ihre Bedeutung, so genügen bloße Worte allein noch nicht sie auszudrücken. Worte sind nur wie ein Kleid. Könnte man sie ändern, wäre es dann nicht weit zweckmäßiger, wenn ein jedes Volk diesen Bedeutungen ein Kleid in seiner eigenen Sprache anzöge?

Antwort: Die Worte des Qur’an und die Lobpreisungen des Propheten sind nicht ein lebloses Kleid, sondern wie die lebendige Haut eines Körpers, sind in der Tat im Laufe der Zeit zu einer Haut geworden. Kleider kann man wechseln. Wollte man aber seine Haut wechseln, würde dies dem Körper schaden. Segensreiche Worte, wie sie im Ruf zum Gebet (esan) oder beim Gebet (namas) selbst gebraucht werden, sind zu Merkmalen und Kennzeichen ihrer Bedeutung geworden. Diese Kennzeichen und Merkmale aber kann man nicht auswechseln. Ich selbst habe schon oft in mir einen Zustand (hal) beobachtet und untersucht und dabei festgestellt: dieser Zustand, das ist die Wahrheit. Und es ist folgender Zustand:

Ich habe einmal in der Nacht (Arefe) vor dem Opferfest (Kurban) Hunderte Male die Sure »Ichlas« rezitiert und bemerkt: Ein Teil von meinen feinen innerlichen Organen empfing daraus seine Nahrung, wurde ruhiger und schließlich still. Ein anderer Teil, schon mit der Fähigkeit zu innerer Wahrnehmung begabt, wendet sich noch eine längere Zeit der Bedeutung zu, entnimmt sich seinen Anteil und wird ruhig. Wieder ein anderer Teil, wie das Herz, entnimmt sich seinen Anteil an inneren Werten, der zu einer Quelle geistlicher Freude wird und geht sodann in das Schweigen ein. Usw... Schritt für Schritt bleiben bei der beständigen Wiederholung nur noch wenige dieser feinen geistigen Organe über, die sich erst sehr spät satt und zufrieden zeigen und bis dahin weiter machen, bis am Ende kein Bedürfnis nach innerer Wahrnehmung und Bedeutung mehr übrig bleibt. So wie Unaufmerksamkeit (ghafla) die Kraft der inneren Wahrnehmung schwächt, so kann sie doch letzteren keine Schwäche zufügen. Ihnen genügt schon ein bloßes (Segens)Wort, die bloße Erfassung von Sinn und Verständnis in einem befriedigenden Wort, Merkmale und Kennzeichen für allgemein gebräuchliche Ausdrücke. Denkt man an diesem Punkt noch weiter über den Sinn (der Worte) nach, so entsteht schließlich ein Überdruss, der (nur noch) destruktiv wirkt.

kein Ton