Brief | Neunundzwanzigster Brief | 571
(528-621)

« ist der, welcher der Mehrheit einen Schaden zufügt, ein Feind und kein Freund!

So frage ich dich denn:

Findet man etwa die höchsten Interessen der Leute des Glaubens und der Frömmigkeit, welche die erste Volksschicht bilden, in der fränkischen (= westlichen) Zivilisation? Oder findet man sie nicht vielmehr im Gedanken an die Ewige Seligkeit im Lichte der Glaubenswahrheiten, wenn man den Weg der Wahrheit beschreitet, wo sie besonders ersehnt und geliebt (aschk) wird und wo man einen wahren Trost findet? Doch der Weg, den Irregeleitete und solche Patrioten, wie du einer bist, eingeschlagen haben, löscht das innere Licht der aufrechten Leute des Glaubens, zerstört jede echte Tröstung und zeigt stattdessen den Tod als eine Verurteilung für ewig und das Grab als das Tor zu einer immerwährenden Trennung.

Findet man etwa Segen für die zweite Volksschicht, die Gruppe derer, die von Unglücksfällen heimgesucht wurden, der Kranken und derer, die den Mut zum Leben verloren haben und verzweifelt sind, durch eine fränkisch geartete (= westliche), gottlose Erziehung? Denn diese Unglückseligen suchen nach einem Licht, verlangen nach einer Tröstung. Sie schauen nach einer Art Wiedergutmachung für ihr Leiden aus. Sie möchten gerne Rache nehmen an denen, die sie unterdrückt haben. Sie wollen all den Terror an der Pforte des Grabes, dem sie sich nähern, zurückweisen. Durch ihren falschen Patriotismus aber stoßen solche, wie ihr es seid, denen, die doch so sehr der Liebe (shefqat), der Zärtlichkeit und der Heilung bedürfen und ihrer würdig sind, diesen armen, unglückseligen (Menschen) noch eine Nadel ins Herz! Ihr schlagt sie noch auf die Köpfe! Ihr zerbrecht ihre Hoffnungen ohne Erbarmen! Ihr stürzt sie noch in die äußerste Verzweiflung!... Sieht so euer Patriotismus aus? Ist das eure Art, Wohltaten unter dem Volk zu verteilen?

Nun kommen wir zu den alten Leuten, welche die dritte Volksschicht bilden, um sie als pars tertium zu betrachten. Sie nähern sich dem Grabe, sie nähern sich dem Tode, sie entfernen sich aus dieser Welt und gehen hinüber ins Jenseits. Finden sie ihren Segen, Licht und Tröstung, wenn sie die grauenvollen Abenteuer verrohter Tyrannen wie Hulagu (der Eroberer von Baghdad 1258 – A.d.Ü.) und Dschingis Khan (sein Großvater – A.d.Ü.) mit anhören? Habt etwa ihr in eurer neuzeitlichen Bewegung ohne Sinn, ohne Zweck, innerlich zerfallen, während sie sich nach außen auch noch fortschrittlich nennt, die das Jenseits vergessen macht und dabei an das Diesseits bindet, noch einen Platz für sie? Kann man das jenseitige Licht im Kino finden? Kann man den wahren Trost im Theater finden? Wenn Patriotismus in Wirklichkeit heißt, sie mit einem unsichtbaren Messer zu schlachten, und ihnen die Vorstellung zu geben: »ihr werdet jetzt zu einer Verurteilung auf ewig getrieben« und das Grab, das sie als Tor zur Barmherzigkeit betrachten, in ein Drachenmaul zu verwandeln und dabei in ihre Ohren zu blasen: »auch ihr werdet dort eintreten!

kein Ton