Brief | Zweiundzwanzigster Brief | 361
(357-380)

Vom Standpunkt der Wahrhaftigkeit aus sind die Schlechtigkeiten, welche Feindschaft und Bosheit verursachen, böse und wie die Erde so dunkel und schwer. Sie dürfen nicht auf andere übergreifen und sich in ihnen spiegeln. Wenn ein anderer aus ihnen seine Lehre zieht und böses tut, so ist dies ein anderes Problem. Das Gute aber, welches Ursache der Liebe ist, ist Licht wie die Liebe. Es liegt in seiner Natur, sich auszubreiten und in anderen wiederzuspiegeln. Daher kommt es, dass das Wort: »Der Freund des Freundes ist ein Freund« zum Sprichwort geworden ist. Darum sagt man auch: »Um eines Auges willen werden viele Augen geliebt"; auch dies ist ein Wort, das in unserer Sprache geläufig ist.

Wohlan denn, du ungerechter Mensch! Wenn du nun angesichts dieser Tatsachen eines ungeliebten Menschen unschuldigem und liebenswerten Bruder und seinen Angehörigen immer noch Feindschaft entgegenbringst, so wirst du, wenn du die Wahrheit zu erkennen vermagst, verstehen, wie sehr dies der Wahrheit entgegengesetzt ist...

Vierter Aspekt: Ein Verbrechen im Hinblick auf das persönliche Leben. Höre hierzu einige Grundsätze, welche die Basis dieses vierten Aspektes bilden:

Erster Grundsatz: Wenn du weißt, dass dein Weg und deine Ansichten richtig sind, so hast du das Recht zu sagen: »Mein Weg ist der richtige und er ist schön.« Doch: »Nur mein Weg ist der allein richtige« zu sagen, hast du kein Recht.

»Das Auge der Zufriedenheit ist allen Fehlern gegenüber blind; doch das Auge des Ärgers deckt jeden Fehler auf.«

Diesem Geheimnis entsprechend kann dein ungerechter Blick und dein leidenschaftlicher Gedanke nicht Richter sein. Er kann nicht über Wert oder Unwert eines anderen Weges sein Urteil fällen.

Zweiter Grundsatz: Deine Aufgabe besteht darin, dafür Sorge zu tragen, dass alles, was du sagst, auch wahr ist. Doch alles, was wahr ist, auch auszusprechen, ist nicht deine Aufgabe. Was immer du sagst, muss richtig sein. Aber es ist nicht richtig, alles zu sagen, was richtig ist. Denn ein Mensch wie du, dessen Absichten nicht rein sind, geht anderen manchmal mit seinen Ratschlägen auf die Nerven und reizt sie zum Gegenteil.

kein Ton