Brief | Zweiundzwanzigster Brief | 373
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So wird z.B. jeder den einen von zwei Bettlern, der etwas begehrt, frostig stehen lassen und nichts geben, wenn dieser unverschämt und aufdringlich wird, den anderen aber, der still und bescheiden bittet, von Herzen geben und ihm Barmherzigkeit erweisen.

Oder, wenn dich z.B. nachts der Schlaf flieht, wo du doch so gerne schlafen möchtest, kann es sein, dass der Schlaf zu dir zurückkehrt, wenn du ihn mit Gelassenheit erwartest. Wenn du aber in dem leidenschaftlichen Verlangen nach Schlaf: »Ich muss jetzt unbedingt schlafen, ich muss jetzt endlich schlafen« sagst, wird der Schlummer dir schließlich ganz und gar fern bleiben.

Oder um noch ein anderes Beispiel zu bringen: Wenn du wegen einer wichtigen Sache voll Ungeduld auf jemanden wartest und dabei ständig wiederholst: »Er ist noch nicht gekommen. Er ist immer noch nicht gekommen.« so wird deine leidenschaftliche Erwartung schließlich deine Geduld aufzehren. Aufstehen wirst du und hinausgehen. Dieser Mann wird eine Minute später kommen. Doch diese wichtige Gelegenheit, deretwegen du so gewartet hast, hast du nun verpasst.

Der tiefere Sinn all dieser Geschichten aber ist der folgende: Das Zustandekommen eines Brotes erfordert die Reihenfolge: Acker, Tenne, Mühle, Ofen. So gibt es auch in der Ordnung der Dinge eine weisheitsgemäße Stufenfolge. Wer in seiner Ungeduld diese Stufenfolge nicht einhält, in einer so wohlgeordneten Angelegenheit die unsichtbaren Stufen nicht einhält, sie entweder überspringt und dabei zu Fall kommt, oder aber eine dieser Stufen dabei verfehlt und auslässt, der kann nicht an sein Ziel gelangen.

Wohlan denn ihr Brüder, die ihr in eurer Sorge um das tägliche Brot ganz benommen und in eurer Leidenschaft für diese Welt trunken geworden seid! Wenn doch Leidenschaft und Habgier Dinge sind, die so viel Schaden und ein solches Unglück mit sich bringen, wie könnt ihr da noch auf den Wegen eurer Leidenschaft und Habgier euch in jeder Weise entwürdigen, ein jegliches Gut annehmen, ohne nach Verbotenem und Erlaubtem zu fragen und so viele für das Leben in der künftigen Welt notwendigen Dinge opfern, ja es sogar um eurer Habgier willen unterlassen Almosen zu geben, was doch einer der bedeutenden Grundpfeiler unter den Säulen des Islam ist?... Dabei ist doch Almosen für jeden Menschen ein Segen und ein Mittel, Unglück von sich fern zu halten. Dem, der Almosen nicht gibt, wird in jedem Fall so viel Gut zwischen den Fingern zerrinnen, wie er Almosen hätte geben sollen. Er wird (sein Geld) entweder für nutzlose Dinge ausgeben oder bei irgendeinem (Zufall?) verlieren.

kein Ton