Brief | Achtundzwanzigster Brief | 487
(477-527)

Frage: Du sagst zu jedem, der zu dir zu Besuch kommt: »Erwartet von meiner Person nicht einen besonderen Beistand (himmet) und betrachtet meine Person nicht als besonders gesegnet. Ich bekleide keinen besonderen Rang (maqam). So wie ein einfacher Soldat nur die Befehle seines Marschalls weiter gibt, so verkündige auch ich gleichsam nur die Befehle eines geistlichen Marschalls. Ich bin nur wie ein Bankrotteur, der die teuren und kostbaren Diamanten aus seinem Juwelierladen auspreist.«

»Doch so wie unser Verstand der Erkenntnis bedarf, so sehnen sich auch unsere Herzen nach dem Segen (feyiz). Unsere Seele (ruh) sehnt sich nach dem Licht (nur) usw... Wir sehnen uns in vielerlei Hinsicht nach vielerlei Dingen. Wir haben geglaubt, du seiest der Mann, der unseren Bedürfnissen entgegen käme und sind darum gekommen, dich zu besuchen. Mehr als einen Gelehrten brauchen wir einen Gottesfreund, jemanden, der über allen Segen, einen, der über alle Vollkommenheit (kemalat) verfügt.

Wenn die Sache (hal) aber so ist, wie du uns gesagt hast, war es dann falsch, dass wir gekommen sind, dich zu besuchen?« Dies alles brachten sie in ihrer Haltung (hal) zum Ausdruck.

Antwort: »Hört euch erst einmal die folgenden fünf Punkte an. Dann erst urteilt darüber, ob euer Besuch vergeblich war, oder euch einen Nutzen gebracht hat.«

Erster Punkt: Bekanntlich überreicht ein einfacher Diener oder der (ansonsten) mittellose Soldat eines Königs einem General oder Marschall königliche Geschenke und Orden und empfängt dafür deren Dankbarkeit. Wollten diese Generäle und Marschäle aber nun sagen: »Warum erniedrigen wir uns denn vor diesem einfachen Soldaten, nehmen diese Gunsterweise und Orden aus seiner Hand an?« so wäre das nichts als Dummheit und Arroganz. Auch wenn dieser Soldat außerhalb seines Dienstes nicht vor dem Marschall aufstünde und nicht anerkennte, dass er ihm gegenüber von höherem Rang ist, so wäre auch das eine ganz törichte Dummheit. Wenn ferner einer dieser zufriedenen Generäle in seiner Dankbarkeit in die bescheidene Hütte des Soldaten hinabstiege und der Soldat hätte nichts als trockenes Brot, so würde doch der König, um ihm aus der Verlegenheit zu helfen, da er doch die Lage (seines Soldaten) sieht und kennt, für den verehrten Gast seines treuen Dieners aus der königlichen Küche ein Tablett (mit Speisen) senden, um ihn nicht in Verlegenheit zu bringen.

In gleicher Weise wird auch ein treuer Diener des Weisen Qur’an, was für ein einfacher (Mensch) er auch immer sein mag, im Namen des Qur’an ohne zu zögern auch den höchstgestelltesten Menschen seine Befehle verkünden und auch denen, die schon alle Reichtümer des Geistes besitzen, nicht in Erniedrigung wie ein Bettler die erhabenen Diamanten des Qur’an verkaufen, sondern stolz und in Unabhängigkeit. Wie groß und bedeutend sie auch immer sein mögen, so können sie sich doch nicht überheblich verhalten gegenüber diesem einfachen Diener, der (nur still) seine Pflicht erfüllt. Und auch dieser Diener darf nicht, wenn sie sich an ihn wenden, dies für sich zu einer Quelle seines Stolzes machen und seine Grenzen überschreiten.

kein Ton