Brief | Achtundzwanzigster Brief | 489
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So also sagte mir Hazret-i Scheich: »Du selbst bist krank. Suche einen Arzt für dich!« Ich antwortete: »Sei du mein Arzt!« Es war mir, als spräche er selbst zu mir, las das Buch so, als redete es mit mir. Aber sein Buch war fürchterlich. Und schrecklich war es, wie es meinen Stolz zerbrach. Es vollzog in meiner Seele eine fürchterliche Wundoperation. Ich konnte mir zu meinem Gesprächspartner, hatte keine Ausdauer mehr, es zu Ende zu lesen. Ich legte das Buch in den Schrank. Aber danach vergingen die Schmerzen, die diese heilbringende Operation verursacht hatte. Ich bekam Geschmack an diesem Buche meines ersten Lehrers (Ustadh), las es jetzt ganz durch und zog einen großen Nutzen daraus. Ich lauschte seinen Hymnen und Gebeten und empfing viel Segen und Gewinn.

Danach habe ich die »Mektubat« vom Imam Rabbani gesehen. Ich nahm es in meine Hand, bat in reiner Absicht um ein Zeichen und schlug es auf. Seltsamer Weise gibt es im ganzen Mektubat nur zwei Stellen, wo von einem »Bediuzzaman« die Rede ist. Unerwartet öffneten sich mir diese beiden Briefe »Mektup«. Meines Vaters Name war Mirza und ich sah, dass als Titel auf dem ersten dieser Briefe »Brief an Mirza Bediuzzaman« geschrieben stand. »Lobpreis und Dank sei Allah!« sagte ich: diese Rede gilt mir. Ein Beiname des Alten Said war damals »Bediuzzaman«. Denn außer Bediuzzaman-i Hemedani, der im dritten Jahrhundert nach der Hidschra unter diesem Beinamen berühmt geworden war, kannte ich keine Persönlichkeiten mit diesem Titel. Das heißt, es hatte zu Imams Zeiten noch einen Mann gegeben, dem diese beiden Briefe geschrieben worden waren. Der Zustand dieses Mannes ähnelte meinem eigenen Zustand so, dass ich in diesen beiden Briefen ein Heilmittel für meinen Kummer fand. Der Imam empfiehlt in diesen beiden Briefen das, was er auch in vielen anderen Briefen empfohlen hat, nämlich: »Tauhid sei deine Qibla!« das heißt: »Nimm dir nur einen einzigen Meister, folge ihm nach und kümmere dich um keinen anderen!« Dieser sein wichtigster Rat entsprach meiner Begabung und meinem Geisteszustand nicht. Ich dachte lange nach... sollte ich diesem folgen? oder sollte ich einem anderen folgen? Ich blieb unschlüssig. Jeder von ihnen hatte seine besonderen Eigenarten, von denen ich mich angezogen fühlte. Nur einer von ihnen genügte mir nicht. Während ich noch unschlüssig war, gab Gott der Gerechte meinem Herzen ein: »Der Anfang dieser verschiedenen Wege (Tarikat), die Sonne inmitten der Planeten und die Quelle, aus der die Bewässerungskanäle gespeist werden, ist der Weise Qur’an, die wahrhaftige Tauhid-i Qibla findet sich in ihm. Wenn dem so ist, dann ist auch der erhabenste Lehrer (Murschid) und der heiligste Meister (Ustadh), an dem ich mich festhalte.« Meine mangelhafte, nicht gesammelte Veranlagung kann sicherlich nicht den Nutzen, den Segen, gleich dem Wasser des Lebens von diesem wahrhaften Lehrer so aufsaugen wie es sich gebührt. Wir können diesen Segen aber dem Grade der Leute des Herzens (der Sufis) und der Besitzer des Zustandes (der Ekstatiker) entsprechend, dieses Wasser des Lebens wiederum mit seinem Segen sichtbar machen.

kein Ton