Brief | Neunundzwanzigster Brief | 542
(528-621)

alle erdenklichen Arten Seiner Gaben an. Auf diese Weise bringt Er die Vollkommenheit Seiner Herrschaft, Seines Erbarmens (Rahman) und Seiner Barmherzigkeit (Rahim) zum Ausdruck. Die Menschen, in Trägheit verfallen und von äußeren Ursachen und Wirkungen geblendet, übersehen entweder die Tatsache, die in dieser Wahrheit zum Ausdruck kommt, oder vergessen sie manchmal sogar. Im Monat Ramadan indessen gleichen die Gläubigen plötzlich einer gut organisierten Armee. Sie alle sind dann zum Gastmahl des ewigen Sultans geladen und warten bis zur beginnenden Abenddämmerung auf die Aufforderung: »Bitte, greift zu!« Indem sie so ihre Haltung als Diener in der Anbetung Gottes erweisen, erwidern sie auf diese Weise die liebevolle, majestätische, allumfassende Barmherzigkeit mit einem alles umfassenden, wohlgeordneten und erhabenen Dienst und Anbetung.

Darf man wohl jene Menschen, die sich diesem erhabenen Dienst, der Anbetung und vor diesen ehrenvollen Gastfreundschaft (keramet) verschließen, ihres menschlichen Namens für würdig erachten?

Zweiter Abschnitt: In Anbetracht der Tatsache, dass das Fasten im segensreichen Monat Ramadan, der Dankbarkeit für die Gnadengaben Gottes des Gerechten dient, ist eine Weisheit unter vielen Weisheiten die folgende: Wie bereits im Ersten Wort erwähnt wurde, erfordern die Speisen, die der Kellner aus der kaiserlichen Küche bringt, ihren Preis. So wie es im höchsten Grade eine Torheit wäre, hat man dem Kellner bereits ein Trinkgeld gegeben, nun zu glauben, dass diese so kostbaren Gnadengaben wertlos seien und den, der sie uns gespendet hat, nicht zu kennen. So hat auch Gott der Gerechte für das Menschengeschlecht zahllose verschiedene Gaben über die Erde ausgebreitet und erwartet von uns nun als Preis für Seine Gnadengaben unseren Dank. Die äußerlichen Ursachen, Dinge und Umstände dienen dabei, wie der Kellner, nur als Träger. Diesen Kellnern zahlen wir einen Preis, ja wir sind ihnen zu Dank verpflichtet. Unser Dank und Respekt geht zuweilen noch weit über das erforderliche Maß hinaus, während doch der Wahre Geber (Mun´im) aller Gaben in unendlichem Grade mehr als alle Ursachen würdig ist, unseren Dank entgegen zu nehmen. Ihm zu danken bedeutet also, zu wissen, dass jene Gaben unmittelbar von Ihm kommen, ihren Wert zu schätzen wissen und dabei seine eigene Bedürftigkeit wahr zu nehmen.

So ist denn das Fasten im Heiligen Monat Ramadan der Schlüssel zu wahrer, reiner, tiefer und allumfassender Dankbarkeit. Denn zu anderen Zeiten, wenn die meisten Menschen sich nicht gerade in einer Zwangslage befinden, sind sie auch kaum in der Lage, den Wert der vielen Gnadengaben zu erkennen, weil sie echten Hunger gar nicht verspüren. Für einen Menschen der satt ist und ganz besonders, wenn er reich ist, ist der Grad der Gnade völlig unverständlich, der sich schon allein in einem trockenen Stück Brot verbirgt. Zur Stunde des Fastenbrechens (iftar) aber bezeugt uns der Geschmackssinn, welch wertvolle Gabe Gottes jenes trockene Stück Brot in den Augen eines Gläubigen ist.

kein Ton