Brief | Neunundzwanzigster Brief | 610
(528-621)

Da aber die Ekstatiker und die Gottesnarren für ihre Opposition nicht verantwortlich sein können, und da es nun einmal im Menschen einige subtile Organe gibt, die nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, und wenn nun diese subtilen Organe die Herrschaft übernehmen, so kann (ein solcher Mensch) nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn er sich den Vorschriften der Schari’ah entgegen stellt. Und da es nun einmal im Menschen solche subtilen Organe gibt, die, so wenig man sie zur Rechenschaft ziehen kann, sie auch nicht (bewusst) durch unseren Willen beherrscht werden, ja noch nicht einmal von unserem Verstand kontrolliert werden können, da sie nicht (auf die Stimme) des Herzens und des Verstandes hören, besonders dann nicht, wenn diese subtilen Organe einen Menschen beherrschen, jedoch nur zu dieser besonderen Zeit, so fällt er nicht von seiner Stufe der Gottesfreundschaft herunter, wenn er sich der Schari’ah entgegen stellt; und somit ist er denn entschuldigt. Dies jedoch nur unter der Bedingung, dass er die Wahrheiten der Schari’ah und die Grundregeln des Glaubens nicht leugnet, nicht kritisiert, nicht verachtet. Auch wenn er nach dem Gesetz lebt, so muss er doch das Gesetz als richtig anerkennen. Würde er jedoch von einem derartigen Zustand überwältigt und würde er dann eine Haltung annehmen, die erkennen lässt – und hier nehme ich meine Zuflucht zu Gott! – diese feststehenden Wahrheiten leugnet und bestreitet, so wäre dies ein Zeichen seines Absturzes!

Zusammenfassung: Unter denen, die sich auf einem Sufi-Weg außerhalb des Bereiches der Schari’ah befinden, gibt es zwei Gruppen.

Erste Gruppe: Sowie oben bereits beschrieben wurde, sind (diese Menschen) entweder von ihrer Befindlichkeit (hal), oder von einer Art Rauschzustand, Trunkenheit oder Ekstase überwältigt oder aber sie werden von ihren subtilen Organen beherrscht, welche die Vorschriften des Glaubens nicht beachten oder auf einen willentlichen (Befehl) nicht hören, weshalb sie dann den Bereich der Schariah verlassen. Was aber dieses Verlassen betrifft, so hat es jedoch nichts damit zu tun, dass sie die Anordnungen der Schari’ah nicht mehr mögen oder ihnen nicht mehr (folgen) wollen. Sie verlassen ihn vielmehr gezwungenermaßen und gewissermaßen gegen ihren Willen. Diese Gruppe sind Leute der Gottesfreundschaft. Ja es gab unter ihnen sogar gelegentlich bedeutende Heilige. Ja es haben sogar Forscher unter den Gottesfreunden bestätigt, dass sich einige unter diesen (Heiligen) nicht nur außerhalb des Bereiches der Schari’ah, sondern sogar außerhalb des Bereiches des Islam befunden haben. Dies jedoch nur unter der Bedingung, dass sie niemals eines der Gesetze bestritten haben, die Mohammed, mit dem Friede und Segen sei, gebracht hatte.

kein Ton