Brief | Zwanzigster Brief | 328
(300-352)

In der Tat kann sich einem Leben, aus dem ein Funke, der aus ihm hervorgeht, allen Dingen, die in ihrer Vielfältigkeit von Untergang und Zerfall bedroht sind, ihre Einheit gibt, sie beständig macht, sie vor dem Verfall bewahrt, sie in ihrem Dasein erhält und ihnen eine Art von Beständigkeit sichert, das heißt, der einem Leben, das alles Lebendige von der Vielfalt zur Einheit führt und ihm Bestand verleiht, wenn das Leben entschwindet, zerfällt, vergeht, mit Sicherheit kann sich diesen grenzenlos vielen Lebensfunken, die eine Erscheinung jenes Lebens sind, das eine Notwendigkeit (und nicht nur eine der möglichen Erscheinungsformen) ist, Untergang und Zerfall nicht nahen. Ein sicheres Zeugnis für diese Wahrheit sind Untergang und Zerfall des Universums. Denn so wie alles Sein und Leben schon durch sein bloßes Sein und Leben das Leben dessen, der niemals stirbt, und das notwendige Sein des Lebens beweist und bezeugt, so beweist und bezeugt es auch, wenn es stirbt und vergeht, Beständigkeit und Fortbestand des Lebens.* Denn dadurch, dass alles Leben, was vergangen ist, in gleicher Weise wieder zu neuem Leben erwacht und an die Stelle des vergangenen tritt, zeigt uns, dass es ein ewiges Leben gibt, das immer wieder das InErscheinungtreten dieses Lebens erneuert.

Denn genau so wie auf einem Strom, der unter der Sonne dahin fließt, Wasserblasen und Tropfen aufglänzen und vergehen, kommende (Geschlechter) aufglänzen, sich zeigen, eine Gruppe nach der anderen aufstrahlt, verlischt und wieder geht, in diesem Aufstrahlen und Glänzen auf das fort und fort Scheinen einer immerwährenden Sonne verweisen, so bezeugt diese Karawane eines vorbeiziehenden Daseins im Wechsel und dem stetigen Wandel ihres Lebens und Sterbens auch Dauer und Bestand des Lebendigen und Beständigen (Hayyi Baqi).

Es ist in der Tat alles Seiende wie ein Spiegel. Aber so wie die Finsternis den Gegenpol zum Licht bildet, ja die Finsternis, in welchem Grade sie tiefer wird, in gleichem Grade den Glanz des Lichtes sichtbar macht, so dient (alles Sein) vom Standpunkt der Gegensätzlichkeit aus betrachtet in vielfacher Hinsicht gleichsam als Gegenpol. Zum Beispiel: So wie alle Lebewesen in ihrer Schwäche einen Gegenpol zur Macht des Schöpfers (Sani) bilden, in ihrer Armseligkeit einen Gegenpol zu Seinem Reichtum, genau so werden sie in ihrer Vergänglichkeit (fena) auch zum Gegenpol Seiner Beständigkeit. In der Tat wirkt das Antlitz der Erde im Winter, gleichen die Bäume auf dieser Erde mit ihrem armseligen Aussehen, aber auch die prachtvolle Ausstattung, der reiche (Schmuck, den sie) im Frühling (wieder empfangen haben), mit einer ganz besonders großen Sicherheit einem Gegenpol zu der Macht und Barmherzigkeit des absolut Allmächtigen und grenzenlos Reichen. Es ist in der Tat, als ob alles, was da lebt, mit der Sprache seines Zustandes, wie VeyselKarani das folgende Bittgebet sagte:

»Oh unser Gott! Du bist unser Herr! Denn wir sind Deine Diener. Wir sind zu schwach, unsere Seele (nefs) zu erziehen. Das heißt, dass Du es bist, der uns erzieht!... Und Du bist auch unser Schöpfer! Denn wir sind Deine Geschöpfe. Wir werden (ständig immer wieder neu) gestaltet... Und Du bist auch unser Versorger! Denn wir bedürfen Deiner Versorgung. Denn unsere Hände können sie nicht erreichen. Das heißt, dass Du es bist, der uns gestaltet. Und der uns unsere Versorgung zukommen läßt, bist Du... Und Du bist auch unser König (Malik)! Denn wir sind Dein königliches Eigentum. Ein anderer als wir ist es, der darüber verfügt. Das heißt, Du bist unser Herr und Besitzer (Malik)... Und Du bist auch der Allmächtige (Aziz)! Du bist der Herr aller Ehren (Izzet) und voll Majestät (Azamet)! Wir betrachten unsere Niedrigkeit. Über uns (erstrahlt der Glanz Deiner) Ehre.

kein Ton