Brief | Neunundzwanzigster Brief | 592
(528-621)

Antwort: Ihr irrt euch und man hat euch getäuscht! Oder ihr täuscht euch deshalb, weil Europa am Glauben festhält. Sage doch einmal einem ganz gewöhnlichen Bulgaren oder einem englischen Soldaten oder irgendeinem dahergelaufenen Franzosen: »Setze einen Turban auf oder ich werde dich ins Gefängnis werfen!«, und seine Bindung an den (christlichen) Glauben wird ihn zu der Antwort zwingen: »Nicht das Gefängnis, ja noch nicht einmal der Tod kann mich dazu veranlassen, meinen Glauben und mein Volk zu verraten!«. (Eine Anspielung auf die damaligen Bekleidungsvorschriften in der Türkei. – A.d.Ü.)

Darüber hinaus bezeugt die Geschichte, dass wann immer die islamischen Völker an ihrem Glauben festhielten, sie auch in ihrer Stärke vorangeschritten sind. Und wann immer sie ihn in ihrer Schwäche vernachlässigt haben, hat es (eine Periode des) Verfalls gegeben. Im Christentum ist aber das Gegenteil der Fall. Auch das erwächst aus einem fundamentalen Unterschied.

Des Weiteren lässt sich der Islam nicht mit anderen Religionen vergleichen. Wenn ein Muslim den Islam aufgibt und seinen Glauben vernachlässigt, so kann er keinen anderen Propheten mehr anerkennen, ja noch nicht einmal (die Existenz) eines allmächtigen Gottes annehmen, und vielleicht ist ihm danach gar nichts mehr heilig. Ja vielleicht ist ihm noch nicht einmal mehr sein Gewissen die Quelle eigener Vollkommenheit und so verdirbt es denn auch. Deswegen hat in den Augen des Islam auch der sich offen für ungläubig erklärt ein Recht auf sein Leben. Ist er im Ausland und schließt er Frieden, oder aber ist er im Inland und bezahlt seine Steuer (cizye), so ist auch sein Leben nach islamischem (Recht) geschützt. Nur der Apostat hat kein Recht auf sein Leben, denn sein Gewissen ist bereits verdorben und wird so zu Gift für das gesellschaftliche Leben. Dementgegen kann ein Christ auch dann noch für ein soziales Gemeinschaftsleben nützlich bleiben, nachdem er seinen Glauben bereits verloren hat. Es können für ihn (auch weiterhin) einige Dinge heilig sein. Er kann an einige (Persönlichkeiten als) Propheten glauben. Er kann auf seine Weise (die Existenz) eines allmächtigen Gottes bestätigen.

Ich möchte gerne wissen, welchen Vorteil diese Leute ketzerischer Erneuerung (bid’a), oder genauer gesagt: Gottlosigkeit von ihrer Glaubenslosigkeit haben?... Wenn sie dabei an Regierung und öffentliche Ordnung denken, so ist es noch schwieriger zehn glaubenslose Anarchisten zu regieren, die keinen Gott kennen und ihrer Bosheit zu wehren, als tausend Leute des Glaubens zu regieren. Wenn sie an Fortschritt denken, so sind religionslose Leute wie diese ein Hindernis für den Fortschritt, genauso wie sie zum Schaden sind für Regierung und Verwaltung. Sie zerstören die Sicherheit und die öffentliche Ordnung, welche die Grundlage für Fortschritt und Handel sind.

kein Ton