Brief | Neunundzwanzigster Brief | 605
(528-621)

Es ist, als ob (dieser Weg) das Universum zu Gunsten des Einen Notwendig Seienden bestreitet. Aber dieser Weg birgt auch seine Gefahren. Die erste davon ist diese: Die Anzahl der Pfeiler des Glaubens beträgt sechs. So gibt es Träger des Glaubens wie den Glauben an Gott und den Glauben an den letzten Tag. Was diese Träger des Glaubens betrifft, so erfordern sie die Existenz von Möglichkeiten. Diese fest begründeten Pfeiler des Glaubens können nicht über einer Einbildung errichtet werden. Aus diesem Grunde sollte einer, der diesem Weg folgt und aus dieser Welt der Höhenflüge und der Ekstase wieder in diese unsere nüchterne Welt zurückkehrt, nicht seine neue Einstellung mit sich nehmen und er sollte nicht entsprechend seiner neuen Einstellung handeln. Darüber hinaus sollte er nicht den Weg des Herzens, der Vorstellungen und meditativen Wahrnehmungen in eine verstandesgemäße, vernunftgemäße, wissenschaftliche Form umgießen, denn die Prinzipien, die zum Bereich des Verstandes, die Gesetze, die zum Bereich des Wissens gehören und die Wurzeln des Wortes (Theologie), die vom Qur’an und der Sunna des Propheten ausgehen, können ihn auf diesem Weg nicht begleiten; es gibt hier keine Anwendungsmöglichkeiten für sie. Aus diesem Grund finden wir diesen Weg nicht ausdrücklich bei den (vier) rechtgeleiteten Kalifen, den führenden Imamen und Interpreten und den Großen unter den Rechtschaffenen (der ersten beiden Generationen). Das heißt, dies ist nicht der Hohe Weg! Vielleicht ist es eine der hohen Straßen; doch hat sie ihre Mängel. Es ist dies ein sehr wichtiger Weg. Aber er ist auch sehr gefährlich. Er ist zwar sehr schwierig; aber er ist zugleich auch sehr befriedigend. Die ihn in Freude wandeln, wollen ihn nicht wieder verlassen. Dank ihrer Selbstzufriedenheit, halten sie (diesen Weg) für die höchste Stufe. Da wir nun aber Grundlage und Natur dieses Weges in dem »Punkt der Botschaft« (Nokta Risalesi) und zum Teil auch in unseren »Worten« (Sözler) und »Briefen« (Mektubat) erklärt haben, wollen wir uns insoweit damit begnügen und hier nun noch einen der bedeutenden Abgründe erklären. Für die edelsten der Edlen, die den Bereich der Ursachen verlassen haben und nach dem Geheimnis des Loslassens und der Aufgabe aller Bindungen an die Möglichkeiten (der Schöpfung) in einen Zustand (hal) völliger Auflösung und Einswerdung eingegangen sind, ist dies der Weg der Reinheit (salih). Diesen Weg aber denen, die im (Meer der) Ursachen versunken sind, sich in diese Welt verliebt (aschk) haben und durch ihre materialistische Philosophie (im Sumpf) des Naturalismus stecken geblieben sind, in Form einer Wissenschaft anzubieten, hieße sie in diesem Naturalismus und Materialismus zu ertränken und sie von den Wahrheiten des Islam zu entfremden. Denn der, dessen Blick in Liebe an die Welt und das Reich der Ursachen gefesselt ist, möchte dieser vergänglichen Welt eine Art Beständigkeit verleihen. Er möchte ja seine Geliebte (mahbub) Welt nicht aus seinen Händen verlieren. Unter dem Vorwand, es handle sich hierbei um die Einheit allen Seins (vahdetu-l’vudjud), stellt er sich ihr (vergängliches) Dasein als Ewiges Sein (baqi vudjud) vor. In Anbetracht dieser Welt als seiner Geliebten und auf Grund dessen, dass er ihr Beständigkeit und Ewigkeit wie einen Besitz zuschreibt, erhebt er sie auf die Stufe seiner Angebeteten (ma’budiyet).

kein Ton